Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
Spezies injiziert.« Der Mann hinter der Clownsmaske senkt den Blick. Zeitlupeneinstellung. »Doch sehet, was ist aus ihr geworden …« Pause.
»Noch achtzehn Sekunden«, sagt Grafert. »Keine Ahnung, was der Kerl eigentlich will.«
Die Clownsmaske füllt nach wie vor den Bildschirm. Ohne sich zu regen. Doch die grünen Augen, sie beginnen wieder zu glimmen. »Kaspar. Und Johanna. Auch sie waren ELTERN.« Wieder dieser scheppernde Klang aus den Computerboxen. »Doch der kleine Francis und das Baby Cathy-Jane …« Devcon und Grafert starren einander an. »Sie haben es selbst gesehen, liebe Zuschauer. Sie verloren nur Marionetten. Marionetten an. Den Fäden. Einer. Autorität.« Erneut kurze Pause. »Eine Autorität. Illustriert durch meine Wenigkeit. Denn das Böse – ja, meine Damen und Herren, und das ist meine Botschaft – das Böse. Es. Gewinnt. IMMER!«
Aus. Pfeiltaste in der Mitte des Bildschirms, bereit, den Klickbefehl zum neuerlichen Abspielen zu empfangen.
Grafert räuspert sich. »Okay, das war’s. Es ist vorbei, Gott sei Dank. Ich frag sofort mal nach, wie weit das jetzt mit der Sperre ist.« Er greift zum Telefon.
»Warte«, Devcon drückt die Pfeiltaste. Fehlermeldung: URL nicht gefunden. »Ist schon passiert.«
Grafert legt den Hörer wieder auf. »Gut. Dann hoffe ich nur, dass die Kollegen von der SOKO Internet vorher noch eine Kopie gezogen haben.«
»Das haben sie mit Sicherheit. Und nicht nur die.« Devcon deutet auf den Monitor. »Wir können da sowieso nichts mehr tun. Dieses Monstrum hat sein Ziel längst erreicht.«
Grafert stutzt. »Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass wir ebenfalls eine Kopie gesehen haben.« Devcon spricht schleppend, wirkt apathisch, als er den Zeigefinger auf die kleine Bildergalerie richtet, die am rechten Rand des Webportals zu sehen ist. Bilder, die davon zeugen, dass allein auf dieser Onlineplattform für Filme und Videos aller Art schon mindestens fünfzehn Kopien des Horrorwerks hochgeladen worden sind. Von verschiedenen Nutzern.
»Ach du Scheiße.« Grafert, wie eine Statue seiner selbst, fällt dazu nichts mehr ein.
»Dieser Mann mit der Maske, er kalkuliert eiskalt …« Devcon bewegt kaum die Lippen.
»Verdammt!« In Graferts Körper kehrt Leben zurück. »Das bedeutet vermutlich, dass das Original längst gelöscht ist!«
»Das vermutlich kannst du streichen.« Devcon spricht noch immer leise, den Blick nach wie vor starr auf das Fenster mit der Fehlermeldung gerichtet. »So ein Fauxpas unterläuft diesem Psychopathen nicht. Dem nicht …«
Grafert schaut auf das Webportal – und dann auf die vom Schneematsch verdreckten Spitzen seiner Schuhe. »Ach, hol’s doch der Teufel! Aller Voraussicht nach können wir also sowieso nur Jagd auf die Trittbrettfahrer machen, die so einen kranken Scheiß auch noch verbreiten, wenn ich das richtig sehe.«
»So ist es …«
»Ja, so ist es!« Grafert gerät in Rage. »Trotzdem werden wir sie machen, die Jagd auf diese degenerierten Voyeure in ihrer unstillbaren Sensationsgier! Ein Mädchen, hingerichtet wie auf’m elektrischen Stuhl …«
Devcon legt ihm die Hand auf die Schulter. »Der Vergleich hinkt, Sascha. Denn selbst bei der Vollstreckung der Todesstrafe gibt es noch so etwas wie Rechtsstaatlichkeit. Aber das hier« – er deutet mit den Augen auf den Bildschirm – »das war ein sadistischer Mord. Ein abartiger Mord …« Ihm fehlen sichtbar die Worte. »Und ja – diese Leute, die sich so was anschauen und es dann auch noch verbreiten, sind widerwärtig. Aber glaub mir, dieses Monstrum hat gerade darauf spekuliert. Denn das … das ist das normale Verhalten von – Moment, wie hat er es selbst genannt – genau, Menschenaas.« Er nimmt die Hand von Graferts Schulter und lässt sich schwer in seinen Schreibtischsessel fallen.
Grafert erschrickt. Über die Miene seines Chefs, die eine völlige Hoffnungslosigkeit ausdrückt – etwas, das er bei Devcon so bisher nie gesehen hat. »Gut, aber wenn wir uns beeilen, werden wir ihm trotzdem einen Strich durch die Rechnung machen!« Er beugt sich vor, greift nach der Maus und klickt sich durch die Bildergalerie an der rechten Seite: Sämtliche Filmkopien sind nicht mehr abspielbar. »Na, also. Wusst ich’s doch, unsere Jungs sind auf Zack.«
»Lad die Seite neu.« Devcon, den Kopf in die Hand gestützt, sieht nicht mal auf. Grafert schließt das Webportal. Und öffnet es erneut. »Scheiße …«
»Wie viele?«
»Drei
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