Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
ich nach wie vor nicht überzeugt bin von dieser Cherub-Theorie?«
Devcon wendet sich ihm zu. Nicht weniger ruhig. »Sascha, was soll das. Denk doch mal nach. Du standst doch gerade eben noch mit dabei, als er meinen Namen genannt hat.«
»Den man ohne Probleme herausfinden kann. Und nicht nur deshalb meine ich, dass auch andere Optionen mit auf den Tisch gehören.«
Devcon schüttelt unwillig den Kopf. »Ich verstehe, dass du dich profilieren willst, junger Mann. Aber ich habe dir schon einmal gesagt, dass das im Moment definitiv der falsche Zeitpunkt ist. Und wenn du dich damit nicht arrangieren kannst – dann pack deine Sachen und geh heim! Ich stell dich frei, bis das hier vorbei ist.«
»Jim! Jetzt bleib mal auf dem Teppich …«
Devcon fährt zu Fringe herum. »Nein, Norbert! Es reicht! Was da draußen geschieht, ist ein Alptraum. Der schlimmste Alptraum – und was tun wir? Befehden uns gegenseitig? Diskutieren jede noch so sichere Tatsache lang und breit, damit auch alle die Gelegenheit bekommen, sich ins rechte Licht zu rücken?« Er schüttelt wieder den Kopf, krallt die Fingerspitzen ins kurze, grau melierte Haar. »Mein Gott, was ist das bloß für ein pseudopolitisch korrekter Scheiß! Kein Wunder, dass sich nichts mehr bewegt …«
»Jim, bitte komm wieder runter …«
»Dann lass mich meine gottverfluchte Arbeit machen! Und du«, der Zeigefinger seiner rechten Hand richtet sich wie ein Degen gegen Grafert, »du hör auf, mir weiterhin Steine in den Weg zu legen. Die Sache ist ernst. Zu ernst. Und das heißt im Klartext, dass wir unseren Hahnenkampf ein andermal austragen. Wenn diese Sache hier erledigt ist, hast du verstanden!«
Grafert drückt den Finger seines Vorgesetzten mit einer harschen Bewegung zur Seite und verschränkt die Arme vor der Brust. Demonstrativ. »Nein. Das habe ich ganz und gar nicht verstanden. Im Gegenteil. Ich komme mir hier langsam vor wie beim Exorzisten. Der Dienststellenleiter des Fachkommissariats für Tötungsdelikte, besessen vom Cherub-Dämon …«
Devcon holt aus und verpasst Grafert einen Faustschlag auf die Nase.
»Jim!« Fringe stürmt um den Schreibtisch herum, reißt Devcon nach hinten. »Sag mal, spinnst du jetzt völlig …«
Die Bürotür geht abermals auf, Tatjana Kartan kommt hereingerannt. »Ich glaub, ich hab was, aber wir müssen schnell machen … Mein Gott, was ist denn hier los?« Sie starrt auf Graferts blutende Nase.
»Nichts. Gar nichts.« Sascha Grafert legt den Kopf in den Nacken, zieht ein Papiertaschentuch aus der Hosentasche und presst es unter die Nase. »Also, was ist Sache?«
»Äh …« Sie schaut Fringe an. Und Devcon. Doch der senkt den Blick.
»Nun, Frau Kartan, wenn es doch nicht so eilig ist, dann schlage ich vor …«
»Hat es was mit unserem Maskenmann zu tun?«, unterbricht Grafert Fringe. Das blutgetränkte Taschentuch hält er sich weiter vor die Nase. »Dann raus damit, los.«
»Äh … nein.« Tatjana Kartan geht langsam rückwärts. Gestikuliert dabei mit den Armen. »Also nicht wirklich … es ist nur …« Sie schaut zu Devcon. Wartet, bis er ihren Blick erwidert. »Jedenfalls ist es nichts, was unbedingt an die große Glocke muss.« Sie dreht sich um und verlässt das Büro. Betont gelassen.
23
»Marco, hör zu.« Tatjana Kartan hält die Hand über das Telefon und sieht zu Leila Voist rüber, die etwa zwei Meter von ihr entfernt am Schreibtisch sitzt und auf der PC-Tastatur klappert. Kartan senkt ihre Stimme, flüstert fast. »Du musst sofort herkommen und Iownu auf meinen Rechner laden. Was? – Nein, keine Fragen jetzt. Mach’s einfach!«
»Was ist Iownu?«
Kartan lässt das Telefon fallen, zuckt zusammen, fängt sich aber sofort wieder. »Na endlich, ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr. Hat ja ’ne halbe Ewigkeit gedauert.«
Devcon steht neben ihr, kalkweiß im Gesicht, die Augen gerötet. Sie greift nach einem größeren Notizzettel auf ihrem ungewöhnlich akkurat aufgeräumten Schreibtisch, springt auf, reißt ihre rote Daunenjacke von der Stuhllehne, schlüpft hinein und nickt Devcon zu. »Ich habe alles, was wir brauchen.« Sie wedelt mit dem Blatt Papier. »Also, gehn wir. Wir haben sicher nicht viel Zeit … Und wieso stehst du eigentlich ohne Jacke hier? Na egal, musst du eben frieren. Los jetzt.« Sie hakt Devcon unter, zerrt ihn mit sich und ruft über die Schulter: »Leila, falls uns jemand sucht: heiße Spur in Sachen Gruselfilm. Schupo ist informiert, wir
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