Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
heißt, auch Sie nicht, Herr Hauptkommissar. James. Lloyd. Devcon!«
22
Grafert steht hinter dem Schreibtisch, bleich wie eine Wachsfigur. »Mein Gott. Was machen wir denn jetzt?«
Devcon antwortet nicht, stiert wie betäubt in die reglosen grünen Augen auf dem Monitor. Ein Standbild. Der Film wurde vor wenigen Sekunden vom Server genommen.
»Jim! Was ist das hier für ein gottverdammter Schlamassel, kannst du mir das mal erklären?« Niemand hat die Bürotür aufgehen hören, der Orkan namens Fringe bricht völlig unvermittelt über Devcon und Grafert herein. »Weißt du, was in Kürze da draußen los sein wird? Bürger, Presse, Innenministerium – ach, was red ich, alles, was eine Stimme hat, wird über uns herfallen, ein Tsunami aus Schimpf und Schande, der uns hinwegfegen wird wie Japans Küste! Die Exekution einer ehemaligen Ministerin live im Netz! Wie zur Hölle sollen wir das den Leuten plausibel machen?«
Devcons Blick schnellt zu Fringe hin, doch der tobt weiter.
»Lass dir was einfallen, und zwar schnell! Wir brauchen Ergebnisse. Heute noch! Möglicherweise hat jemand die Kalaschnikow gehört und meldet …«
»Bau besser nicht darauf.« Devcon schaut auf die Uhr. »Es ist mitten am Tag, das heißt beste Arbeitszeit. Und wer nicht arbeitet, sitzt vor der Glotze. Wenn der Mistkerl das Ding also nicht in irgendeinem beschaulichen Wohngebiet abgefeuert hat, in dem es noch Hausfrauen gibt, mache ich mir da wenig Hoffnung.«
»Das solltest du aber, Herrgott!« Fringe fährt sich durch das schüttere Haar. »Wir müssen den Kerl kriegen, unbedingt! Dieser Film, straffrei ausgestrahlt, also ohne erkennbare drastische Konsequenzen für den Täter – Mensch, das ist doch der ICEauf schnurgeradem Weg zum großen Bahnhof mit dem Namen Anarchie!«
»Richtig! Und genau da will er hin!«
Der Polizeipräsident wendet den Blick nicht von Devcon ab, sieht überrumpelt aus, in seiner Argumentation gestoppt wie ein an die Wand gefahrener Dummy im Crash-Test. »Wer, bitte, ist er ? Und wieso hast du dieses Massaker nicht verhindert, wenn du doch schon weißt …«
»Cherub!« Devcon schleudert ihm den Namen entgegen. »Es ist Cherub, gottverflucht!«
Fringes Gesichtszüge gefrieren. Er schaut zu Boden. Hebt die Arme und lässt sie sinken. Dann sieht er auf, tritt direkt vor den Schreibtisch und fixiert Devcon erneut. »Jim, so weit ich informiert bin, liegen seit den Prostituiertenmorden in Rotterdam keine aktuellen Meldungen mehr zu diesem Kerl vor. Und das war vor nunmehr über acht Jahren. Eine sehr lange Zeit. Sogar verdammt lang, wenn du mich fragst. Also – wie willst du dir da sicher sein?«
Grafert räuspert sich. »Also, ich meine ja …«
Ohne Devcon aus den Augen zu lassen, hebt Fringe blitzartig die Hand. »Sie habe ich nicht gefragt, junger Freund. Also, Jim, wie sieht’s aus – kein Zweifel?«
»Kein Zweifel.« Devcon hält Fringes Blick stand. »Nicht der geringste. Die Hinweise sind erdrückend und … er spricht mich an. Mich persönlich. Und niemanden sonst.«
Fringe streckt die Zungenspitze vor, lässt sie über die Zähne gleiten. Atmet dann langsam aus. Und nickt. »Also gut, alles klar. Jost Kellermann übernimmt, und du bist raus aus dem Fall.«
»Wh…« Devcon steht da wie mit einem Schwall Eiswasser übergossen.
»Ja, was glaubst du denn!« Fringe beugt seinen massigen Oberkörper vor, die Hände auf den Schreibtisch gestützt. »Hör zu, mein Lieber. Du wirst doch wohl selbst zugeben müssen, dass du im Zusammenhang mit diesem Kerl alles andere alsnüchtern reagierst. Und ich lasse hier ganz bestimmt keinen Showdown à la High Noon stattfinden, ist das klar?«
Devcon sieht weg. Holt tief Luft. Und neigt sich ebenfalls vor – so weit, dass die Gesichter der beiden Männer nur noch eine Handbreit voneinander entfernt sind. »Norbert, versteh doch. Das kann nur ich zu Ende bringen. Denn ich bin – der weiße Ritter.«
Fringe reckt das Kinn, gibt ein kurzes, freudloses Lachen von sich, bevor er sich abwendet. »Aha, interessant. Tut mir leid, Jim, aber Fasching feiern wir in diesem Jahr erst Anfang März.«
Auch Devcon weicht wieder zurück. Minimal. »Norbert, bitte. Hör mir zu.« Er spricht ruhig, betont ruhig. »Wenn du mir den Fall jetzt entziehst, taucht er erneut ab, du wirst sehen. Und dann treibt er sein grausames Spiel weiter. Und weiter …«
»Also, Entschuldigung.« Grafert meldet sich zu Wort. »Aber darf ich bitte mal kurz daran erinnern, dass auch
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