Eiskalte Ekstase - ein Frankfurt-Thriller
Danach Ihren Unterleib. Und zum Schluss ballere ich Ihnen mitten ins Gesicht. Verstanden? Also dann. Letzte Aufforderung. Hin-setzen!«
Grafert greift sich an die Stirn. »Oh Gott. Wenn wir das zulassen müssen und unter dem Webpublikum auch nur ein Journalist sitzt, dann können wir unseren Laden hier dichtmachen. Und zwar für alle Zeit!«
»Ich geh mal gucken, wie weit die Jungs von Giebler inzwischen sind. Die sind unsere einzige Chance.« Tatjana Kartan wartet keine Reaktion ab, stürmt aus dem Büro. Devcon stiert apathisch auf den Bildschirm, registriert von Neilens schweißnasses Gesicht, murmelt: »Tu, was er sagt, und setz dich hin, setz dich einfach nur hin …«
»Sie haben vorhin von einigem technischen Gerät gesprochen.« Die Ex-Ministerin, immer noch stehend, bemüht sich um eine souveräne, nach Moderation klingende Tonlage. »Nun, die Instruktionen dazu stehen noch aus …«
Ein ploppendes Geräusch. Gefolgt von einem markerschütternden Schrei, der die Computerlautsprecher bei der Wiedergabe an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit bringt.
»Nein!« Devcon beißt sich in die zur Faust geballten Finger.
Großaufnahme der am Boden liegenden Frau im grauen Anzug. Ihr Gesicht ist vor Schmerzen verzerrt, sie hat beide Hände auf das rechte Knie gepresst.
»Gehorsam.« Die Roboterstimme verrät keine Emotion. »Verstehen Sie? Um nichts anderes dreht sich das Experiment. Und unser gesamtes Leben. Es ist die Essenz des Tausende von Jahren alten Trauerspiels, genannt die Geschichte der Menschheit. Auch Sie werden sie noch spüren, diese Droge der Schwachen.«
»Droge der Schwachen?« Grafert sieht aus, als wolle er jeden Moment den Bildschirm attackieren. »Blödsinn, das hier ist nichts anderes als rohe Gewalt!«
»Nein. Das ist schlimmer. Denn das ist Cherub.« Devcons Fäuste, sie ballen sich jetzt wie im Krampf. Er gibt ein Knurren von sich und reißt den Telefonhörer hoch. »Giebler, ich muss jetzt auf der Stelle …«
»Tatjana hier. Die E-Mail-Adresse für die Seite, auf der der erste Film lag, war geklaut. Gehört einer älteren Frau, die von der Netztechnik ungefähr so viel Ahnung hat wie ich von der Teilchenphysik und die ihren Computer außerdem seit vierzehn Tagen nicht mehr angeworfen hat. Urlaub. Und bei den anderen Filmen wird’s dasselbe Spiel sein, fürchte ich. Marco denkt, dass wir noch etwa dreißig Minuten …«
»Die haben wir nicht!«, schreit Devcon. »Macht was! Irgendwas! Jetzt! Bitte!«
»Wir tun, was wir können. Ich melde mich.« Kartan legt auf.
Und Devcon, er starrt auf den Hörer wie ein erschöpfter Schwimmer, vor dessen Auge sich das rettende Ufer soeben in Luft aufgelöst hat.
»Was will dieses kranke Arschloch bloß, ich kapier’s nicht«, murmelt Grafert.
»Mich.« Devcons Gesicht spiegelt völlige Hilflosigkeit, während er zusieht, wie von Neilen sich im Zeitlupentempo und unter Schmerzenslauten zurück auf den Plastikstuhl quält.
Grafert funkelt Devcon zornig an, schlägt mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Weißt du was, Chef, in der Psychologie gibt es einen interessanten Begriff: Entrapment. Beschreibt die Fortsetzung von bestimmten Handlungen oder Denkprozessen trotz stetig schwindender Erfolgsaussichten!«
»Ich kann Englisch.« Devcon bewegt kaum die Lippen.
»Schön, dann noch mal von vorn für völlig Bornierte! Wozu der ganze Aufwand, wenn es letztlich doch nur um dich gehen soll? Kannst du mir das mal erklären?«
Devcon reagiert nicht, er hat die Augen wie im Fieber auf den Bildschirm gerichtet, der Uta von Neilens gepeinigten Blick ins Objektiv der Kamera wiedergibt.
»Sie haben also zu Ihrer Rolle gefunden. Sehr schön.« Die Roboterstimme. »Dann wenden wir uns nun Ihrer Schülerin zu.«
Der Bildschirm wird kurzzeitig schwarz. Grafert nutzt die Gelegenheit, Devcon weiter mit Fragen zu bombardieren. »Also, warum maskiert er sich überhaupt, wenn du sowieso weißt, wer er ist?«
»Er spielt«, antwortet Devcon. Mechanisch.
»Gut, das hatten wir ja schon. Und warum verschanzt er sich in der Anonymität des Netzes, wenn er weiß, dass du weißt, wer er ist?«
»Um sicherzustellen, dass nur ich zu ihm finde.«
»Prima. Und wie?«
»Keine Ahnung.«
Auf dem Bildschirm wieder das gleißende Licht. »Frau Jonathan, meine Liebe, können Sie mich hören?«
Grafert notiert den Namen mit einem Kuli auf der Innenseite seiner Hand, während Devcons Blick wie gebannt auf der Großaufnahme ruht, die die verwahrlost wirkende
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