Eiskalte Geschäfte, heißes Verlangen
rasen.
Verdammt noch mal. Mit dem Rücken zu Nathan erstarrte sie mitten in der Bewegung. Was sollte sie tun? Einfach weglaufen? Sich umdrehen und sich der Situation stellen? Was, wenn er auf den ersten Blick erkannte, dass Max sein Sohn war?
„Hallo, Nathan“, sagte Beth und gab ihm einen Luftkuss auf die Wange. Dann zerrte sie ruppig an Anas Arm. „Wie schön, dass du kommen konntest. Erinnerst du dich noch an meine Cousine Ana Birch?“
Ana schluckte schwer und drehte sich um. Währenddessen zog sie Max’ Wollmütze ein bisschen tiefer über sein Köpfchen, um die kleine blonde Strähne in seinem ansonsten dunklen Haar zu verbergen. Die Strähne, die er von seinem Vater geerbt hatte. Ebenso wie das Grübchen in seiner linken Wange und die melancholischen, dunkelbraunen Augen.
„Hallo, Nathan“, brachte sie mühsam hervor. Jetzt, wo sie ihm gegenüberstand, stiegen unerklärlicherweise tiefe Schuldgefühle in ihr auf. Er wollte dich nicht, ermahnte sie sich selbst. Und Max hätte er auch nicht gewollt. Du hast das Richtige getan.
Er musste von ihrer Schwangerschaft gehört haben. Immerhin war sie monatelang das Klatschthema schlechthin in der gehobenen Gesellschaft von El Paso gewesen. Dass er nicht ein einziges Mal nachgefragt hatte, ob er möglicherweise der Vater war, sagte mehr als tausend Worte.
Er wollte es gar nicht wissen.
Seit ihrer letzten Begegnung hatte er sich nicht das kleinste bisschen verändert. Nicht dass sie erwartet hätte, dass eineinhalb Jahre einen großen Unterschied machen würden.
Und so kühl, wie er sie musterte, ohne einen Funken Zuneigung oder Zärtlichkeit, war sie für ihn wohl wirklich nicht mehr als ein Zeitvertreib gewesen. Eine Phase, die er hinter sich gelassen hatte.
Wie sehr sie sich wünschte, es genauso sehen zu können! Aber sie vermisste ihn noch immer. Sie wollte wieder dieses Gefühl erleben, bis in die Tiefen ihrer Seele mit einem anderen Menschen verbunden zu sein. Doch bis auf ihre Affäre mit Nathan hatte sie niemals etwas Ähnliches empfunden. Dieses Gefühl aufrichtiger Liebe, das sich ganz ohne ihr Zutun in ihr Herz geschlichen hatte. Das jedes Mal, wenn Nathan vor ihrer Tür gestanden hatte, noch größer geworden war.
Jede Faser ihres Körpers schien ihr zuzurufen, dass er der Richtige war, und sie hätte alles dafür gegeben, mit ihm zusammen zu sein: ihr Erbe, die Chance, eines Tages doch noch von ihrem Vater geliebt zu werden …
Seit Max’ Geburt war kein Tag vergangen, an dem sie nicht in das Gesicht ihres Sohnes geblickt und erneut den Schmerz durchlebt hatte, den Nathans Zurückweisung ihr zugefügt hatte. Und jetzt, wo sie ihm zum ersten Mal wieder gegenüberstand, überkam sie ein so starkes Bedürfnis, sich einfach in seine Arme zu werfen und ihn anzubetteln, sie zu lieben, dass sie fast von ihren Gefühlen überwältigt wurde.
Sie war erbärmlich, nichts weiter als erbärmlich.
„Und, wie geht es dir so?“, fragte er in einem Tonfall, der bestenfalls als höflich zu bezeichnen war. Ihren Sohn bedachte er nur mit einem flüchtigen Blick. Hatte er damals nicht mehr als deutlich gesagt, dass er an diesem Punkt seiner Karriere keine Zeit für eine Beziehung, geschweige denn für eine Frau und Kinder habe? Aber sie hatte nicht zugehört. Sie war viel zu überzeugt davon gewesen, dass mit ihr alles anders sein würde. Dass er sie lieben könnte. Bis er dann einfach gegangen war.
Sie zwang sich, denselben höflichen Tonfall anzunehmen, obwohl ihr Herz so sehr schmerzte, dass ihr fast die Knie nachgegeben hätten. „Sehr gut, und dir?“
„Ich habe viel zu tun.“
Das bezweifelte sie nicht. Die Explosion in der Raffinerie von Western Oil war überall in den Nachrichten gewesen. In der Folge hatte eine regelrechte Hetzkampagne gegen das Unternehmen begonnen, die natürlich auf dem Mist ihres Vaters gewachsen war. Und Nathans Aufgabe in der Geschäftsführung war es, den Ruf von Western Oil wiederherzustellen.
„Wenn ihr mich kurz entschuldigen würdet“, flötete Beth. „Ich muss mit dem Mann sprechen, der den Kuchen bringt.“ Dann warf sie ihrer Cousine einen kurzen aufmunternden Blick zu und verschwand im Getümmel.
Ana hatte gehofft, dass auch Nathan schnell wieder das Weite suchen würde. Doch stattdessen beschloss er, ausgerechnet jetzt Max zur Kenntnis zu nehmen.
„Ist das dein Sohn?“
Sie nickte. „Max.“
Für einen Moment zuckte der Anflug eines Lächelns über Nathans Züge. „Er ist niedlich. Hat deine
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