Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
konnte da so eine dahergelaufene Traumgestalt sie dazu bewegen wollen, mit ihrer Suche aufzuhören? Das war nicht akzeptabel. Ganz und gar nicht.
Mia ballte die Fäuste. Auf Träume und solch einen Spuk hatte sie noch nie viel gegeben. Warum sollte sie dann ausgerechnet jetzt damit anfangen? „Ich werde die Wahrheit herausfinden.“, sagte sie laut zu sich selbst, „Und wenn es das letzte sein sollte, was ich tue.“
Kapitel 44
Die restlichen Stunden der Nacht zogen sich hin wie Sirup. Mia konnte einfach nicht mehr einschlafen. Der Traum – oder was auch immer das gewesen war – ließ sie nicht los. Immer wieder versuchte sie, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen, die sie hatte. Doch ein ganz entscheidendes Teil fehlte ihr. Noch.
Schließlich dämmerte der Morgen. Mia zog sich um und machte sich frisch. Dann zog sie los, um etwas zu Essen zu be sorgen. Sie wollte den Tag gestärkt beginnen. Außerdem sollte der kleine Chang noch ein wenig Zeit haben, um den Text zu entziffern. Merkwürdig: Trotz der jüngsten Rückschläge hatte sie keinerlei Bedenken, dass es dem kleinen Schlitzohr gelingen würde. War das nun berechtigte Hoffnung oder schlicht und einfach Zweckoptimismus? Mia wusste es selbst nicht so genau.
Das Frühstück schmeckte ihr. Zugleich realisierte sie, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Die Aufregung der letzten Tage hatte selbst so wichtige Dinge wie die Nahrungsaufnahme in den Hintergrund gedrängt. Gesättigt und mit jeder Menge Energie machte sie sich auf den Weg zum kleinen Chang. Mit einem verschmitzten Lächeln öffnete er ihr die Tür. Noch bevor er ein Wort sagen konnte, wusste Mia instinktiv, dass der Dechiffrierer Erfolg gehabt hatte. Und sie sollte Recht behalten. Chang führte sie in sein Besucherzimmer und reichte ihr zwei Blätter Papier. Den eigentlichen Text steckte Mia sofort in ihre Tasche und widmete sich dem anderen Blatt. Fein säuberlich hatte der kleine Chang hier aufgeschrieben, was sich hinter den merkwürdigen Buchstabenfolgen verbarg. Mias Herz schlug ihr bis zum Hals. Endlich sollte sie es erfahren. Da schlich sich ein unangenehmer Gedanke in ihren Kopf: Was wäre, wenn der Text völlig belanglos und ohne weitere Information sein sollte? Wenn er sie in eine weitere Sackgasse führte? Was hätte sie dann noch an Anhaltspunkten? Ihre Finger begannen leicht zu zittern. ‚Reiß dich zusammen, Mädchen!‘, schalt sie sich selbst und wischte die negativen Gedanken für den Moment beiseite.
Jetzt galt alle Aufmerksamkeit dem Text. Leise und mit höchster Konzentration las sie ihn durch: „ …existiert in jedem Haus das eine oder andere Geheimnis. Mein Freund Wuan Ki erzählte mir von dem seinem. Sein Vater vererbte ihm ein sonderbares Artefakt, das er angeblich selbst geschaffen haben soll. Wie ihm das gelungen ist, vermag ich nicht zu sagen. Auch Wuan Ki weiß es nicht wirklich. Sein Vater kann dazu ja nichts mehr sagen. Und Aufzeichnungen gibt es auch nicht. Er nennt das Artefakt immer nur den Blutstein, weil eine Blutsbande zwischen diesem Stein und dem Haus Lun existiert. Doch wie dem auch sei, das Artefakt besitzt große Macht. Und Wuan Ki hat sie bereits mehrfach genutzt. Ja, sein rasanter Aufstieg hat vermutlich mehr mit diesem Ding zu tun, als man sich vorstellen kann. Und wir dürfen noch einiges von ihm erwarten. Aber sei auch gewarnt. Jedem… “
Mia wurde ganz warm. Die Hitze stieg langsam in ihr auf und erfüllte mehr und mehr ihren Brustkorb. „Artefakt“ – dieses Wort geistertet durch ihr Denken. „Große Macht“. Sollte hier vielleicht der Grund für das liegen, was damals geschehen ist? Ging es bei alledem um dieses ominöse Artefakt? Sie las den Text noch einmal. Dann ein drittes Mal. Doch die Fragen blieben. Und ständig kamen neue hinzu. Was ist mit dem Artefakt geschehen? Hatte es jemand geraubt? Und was hatte es mit der Blutsbande auf sich? Galt das vielleicht auch für sie und ihr Blut? Schließlich war sie auch ein Nachfahre vom Hause Lun.
Natürlich hatte sie auch bemerkt, dass dem Text noch etwas fehlte. „Ist das alles?“, fragte sie den kleinen Chang. Dieser nickte und zuckte leicht mit den Schultern. „Mehr stand auf dem Blatt nicht drauf, das du mir gegeben hast. Tut mir leid.“ „Schon gut.“, gab Mia zurück, „Du hast mir wirklich sehr geholfen.“ Bei diesen Worten griff sie in ihre Tasche und holte einen Beutel mit Goldmünzen heraus. „Für deine Bemühungen.“, sagte sie
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