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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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Ihre Mutter stand vor ihrem Bett.
    „Anna“, sagte sie zärtlich. „Stimmt etwas nicht? Ich habe dich gehört. Das warst doch du auf der Treppe, oder?“
    „Ich dachte, du schläfst. Du hast so tief geatmet.“
    „Oh, das tue ich immer. Nein, ich habe wach gelegen. Dein Großvater hat mal wieder ganz Grünwald kahlgesägt. Du kannst dir ja vorstellen: Katharina geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Und du kannst auch nicht schlafen, oder?“
    „Ich hab Angst, Mama“, sagte sie und brach in Tränen aus.
    Ihre Mutter streichelte sanft ihr Haar. „Wovor hast du denn Angst, mein Kind?“
    „Ich werde auch beobachtet“, schluchzte sie.
    „Nein, mein Kind. Ganz bestimmt nicht. Weißt du, Anna, wir alle haben Angst. Die Angst ist ein Teil unserer Trauer, und sie ist ein ganz selbstverständliches Gefühl. Wenn jemand stirbt, der uns nahestand, glauben wir nach seinem Tod immer, beobachtet zu werden. Er ist uns noch so nah, weil wir noch nicht Abschied genommen haben. Solch einen Abschied muss man lernen.“ Sie schwankte und setzte sich. „Wie sollten wir auch von Katharina Abschied nehmen können?“, schluchzte sie. „Hab keine Angst, mein Kind. Hier wird dir niemand etwas antun. Deine Großeltern und ich werden nicht zulassen, dass dir etwas geschieht. Wir werden dich niemals wie Katharina allein lassen. Mein Gott, ich darf gar nicht daran denken“, seufzte sie. „Ich hätte sie retten können, wenn ich nicht ins Konzert gefahren wäre! Ich hätte sofort die Polizei angerufen. Einen Menschen kann man überrumpeln, aber drei, nein! Mein Gott, wenn ich doch nur nicht in dieses Konzert gefahren wäre!“
    Anna schlang die Arme um den Hals ihrer Mutter. „Nicht weinen, Mama. Warum hab ich Angst …“
    „Schsch … Es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst. Das verspreche ich dir.“
    Beim Hinausgehen knipste sie das Licht aus, ließ aber die Schlafzimmertür einen Spalt offen, so dass das Nachtlicht vom Flur ins Zimmer drang.
    Irgendwann schlief Anna ein und träumte.
    „Sarah! Bleib doch stehen. Ich kann noch nicht so schnell laufen.“ Ihre Stimme klang verzweifelt.
    Das Mädchen Sarah rannte auf den Parkplatz des Kindersanatoriums zu. Plötzlich blieb sie stehen, drehte sich um, bedeutete Anna, ihr zu folgen, und lief weiter.
    Anna glaubte fast, Sarahs Atem zu hören. Ihr Herz pochte wild, als sie über den Parkplatz lief. Sarah wurde immer schneller. Ich muss sie doch einholen , dachte sie. Unbedingt.
    Sarah hatte den Waldrand erreicht, und noch einmal drehte sie sich um. Ein fahler Mond zeigte sich am Himmel und schickte sein eisiges Licht durch die Wolkenschleier.
    Sarah lächelte und winkte Anna. Ihre Lippen bewegten sich, als wollte sie sagen: Komm doch endlich. Geh mit mir fort.
    Der Wind spielte mit ihrem Haar und mit dem leichten Stoff ihres Nachthemds. Dann verschwand ihre Gestalt im Nebel.
    Plötzlich war ein Schrei zu hören, und ein klapperndes Geräusch übertönte ein dumpfes Wimmern.
    Wieder ein Schrei. Was war das? Im Halbdunkel sah Anna Sarahs aufgerissene Augen.
    „Nicht!“, flüsterte eine männliche Stimme.
    Immer und immer wieder rief sie Sarahs Namen.
    „Lass mich los“, schrie sie, das bleiche Gesicht zum Himmel erhoben.
    Doch der Himmel stürzte ein, und sie blickte in die dunklen Augen einer Gestalt auf dem Friedhof, die sie irgendwo schon mal gesehen hatte.
    In der Ferne hörte sie das Signal eines Nachtzugs.
    Sie erwachte schweißgebadet, stand auf, öffnete das Fenster und schaute auf den Garten.
    Nichts zu sehen außer Finsternis.
    ***
    Währenddessen trat eine Gestalt im Garten der Großeltern hinter den Bäumen hervor. Den Kopf in den Nacken gelegt, betrachtete sie ein letztes Mal Annas Schlafzimmerfenster und flüsterte: „Wir werden uns wiedersehen.“
    Einen Moment später verschmolz Jakob so vollständig mit der Dunkelheit, als sei er nie da gewesen.

Kapitel 19
    Am nächsten Morgen schienen die ersten Strahlen der Morgensonne durch die Jalousie und wärmten ihre Wangen.
    Es war nur ein Traum, dachte sie. Trotzdem fühlte sie sich nicht wohl.
    Ihr einziger Trost war, dass sie in zwei Tagen zu Pater Mateo reisen würde. Er war ein alter Freund ihres Großvaters und Abt im Kloster Convento di Carmo, und er war ihr Freund.
    Das über achthundert Jahre alte Kloster machte seinem Namen alle Ehre, denn es war ein Ort der Ruhe und Gelassenheit. Eingebettet in Weinberge – Hauptlieferanten des klösterlichen Weinkellers –, waren es vor allem die im Nordteil des

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