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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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der von Katharinas Grab auszugehen schien und sie zwang, ihre Starre zu lösen. Gleichzeitig überfiel sie die Angst, dass sie sich zu ihrer Schwester ins Grab stürzen könnte. Sie wollte nicht ohne sie leben. Doch dann konzentrierte sie sich auf Severin, um nicht in dieses fürchterliche Loch schauen zu müssen, in diese tödliche Leere, die so erbarmungslos war. Wie ferngesteuert ging sie auf ihn zu, blieb dicht vor ihm stehen und blickte ihm direkt in die Augen.
    Warum warst du nicht bei ihr?, fragten ihre Augen vorwurfsvoll. Wo warst du, als sie getötet wurde?
    Dann drehte sie sich um und ging auf die Pforte des Friedhofs zu. Ihre Mutter, die regungslos die Beileidsbekundungen entgegennahm, würdigte sie keines Blicks.
    Plötzlich musste sie an ihren Vater denken. Warum hatte ihn die Polizei noch nicht eingesperrt? Sie fühlte sich völlig ungeschützt. Immer stärker kroch die Angst in ihr hoch, und sie hatte das Gefühl, dass jemand sie beobachtete. Noch einmal drehte sie sich zur Grabstelle um, aber Severin war nirgends mehr zu sehen. Eine Nachbarin ging auf ihre Mutter zu, fasste sie unter dem Arm und schritt mit ihr Richtung Parkplatz.
    Anna sah sich um. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, einen Mann hinter einem Baum vorbeihuschen zu sehen.
    Als sie durch das Friedhofsportal ging, überfiel sie erneut das Gefühl, beobachtet zu werden, und sie drehte sich noch einmal um.
    Tatsächlich. Jemand hatte sich blitzschnell hinter einem Baum versteckt. War das etwa Ben?
    Sie beschleunigte ihren Schritt, ihr Puls ging schneller. Würde er sie jetzt bedrohen und überfallen? Ihre Gedanken begannen zu rasen.
    Ihre Schulfreundin Mathilda riss sie aus ihren Gedanken.
    „Kommst du? Wir warten auf dich“, sagte sie leise.
    Anna nickte. „Ob Ben Katharina ermordet hat?“
    Verwundert sah Mathilda sie an. „Anna! Was redest du denn da?“
    „Er hat ihr früher immer aufgelauert.“
    Mathilda wusste, wie sehr Anna unter dem Tod ihrer Schwester litt.
    „Das glaube ich nicht.“
    „Mathi?“ Anna sah sie ängstlich an.
    Mathilda nahm ihre Hand. „Ja?“
    „Jemand beobachtet mich vom Friedhof. Ich kann ihn spüren.“
    „Blödsinn, Anna. Hier ist niemand. Außerdem beschützt uns die Polizei. Sieh mal, da ist Kommissar Hirschau.“
    Anna sah sie verwirrt an. „Er beschützt uns, wie er Katharina beschützt hat. Und jetzt ist sie tot!“, antwortete sie mit eisiger Stimme.
    „Du zitterst ja. Kann ich dir helfen, Anna?“
    „Nein!“, antwortete sie hastig. „Mir ist nur kalt.“
    „Komm, lass uns gehen.“
    Ein letztes Mal spähte Anna die Straße entlang und suchte den Verfolger, aber da war nichts und niemand.
    ***
    Beim letzten Blick auf den Reisewecker, den Mathilda ihr für die bevorstehende Reise in das italienische Kloster Convento di Carmo geschenkt hatte, war es halb zwölf gewesen. Seither war die Zeit so langsam dahingekrochen, dass sie fest damit rechnete, den Morgen herandämmern zu sehen. Schließlich wurde sie doch noch von einer matten Müdigkeit übermannt.
    Als sie das erste Mal die undeutlichen Geräusche in der Dunkelheit hörte, glaubte sie, geträumt zu haben. Einen Moment später vernahm sie jedoch deutlich eine Stimme, die ihren Namen sprach.
    Sie streckte die Hand aus und drückte den Knopf auf dem Wecker. Die schwarzen Zeiger zeigten an, dass es erst kurz nach Mitternacht und nur eine halbe Stunde vergangen war.
    Warum schlich die Zeit in dieser Nacht nur so unerträglich langsam?, dachte sie und verließ ihr Bett. Leise öffnete sie die Schlafzimmertür einen Spalt und spähte hinaus auf den Flur. Neben dem Nachtlicht drang ein schwacher Lichtstrahl vom unteren Stockwerk herauf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie die Tür weiter öffnete und über den Flur ging.
    Leise flüsterte sie: „Katharina?“
    Nein! Katharina ist tot . Sie liegt auf dem Friedhof in dem kalten Grab.
    Die Stimme kam aus dem unteren Stockwerk. Sie ging einige Stufen tiefer und horchte. Ihre Großeltern schliefen in Katharinas Zimmer, und sie hörte Opa Alexe schnarchen. Im Zimmer nebenan vernahm sie deutlich die tiefen Atemzüge ihrer Mutter. Die Vertretung von Dr. Corelli hatte ihr eine Stabilisierungsspritze gegeben, danach war es ihr deutlich besser gegangen. Beruhigt drehte sie sich wieder um. Wenig später lag sie in ihrem Bett, mit flachem Atem und klopfendem Herzen, die Bettdecke über den Kopf gezogen.
    Kurz darauf wurde die Tür leise geöffnet. Erschrocken riss sie die Decke zurück.

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