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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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Zügen berichtet, was in der Zeit seiner Abwesenheit vorgefallen war.
    Katharinas Mutter Mirja war um Jahre gealtert. Sie nahm vor der Andacht die Beileidsbezeugungen aufrecht und beinahe trotzig entgegen und zeigte wieder einmal jene Fassade, die bisher noch niemand im Dorf hatte durchdringen können.
    Katharinas Großmutter Nina stand neben seinem Adoptivvater. Ihr Kleid war altmodisch, ein Tribut an die vierziger Jahre in schwarzer Spitze, mit Ärmeln wie eine zweite Haut. Das schwere, graumelierte Haar hatte sie im Nacken zu einem Dutt gebändigt. Sie hielt ein Mädchen an der Hand: Anna.
    Severin nahm am äußersten Ende einer Reihe von Klappstühlen Platz und blickte auf seine im Schoß gefalteten Hände. Tief in seinem Inneren spürte er immer noch das Zittern, von dem er gehofft hatte, dass es nachlassen würde. Er versuchte es zu ignorieren, indem er sich auf die Klänge von Antonín Dvořáks Symphonie aus der neuen Welt konzentrierte, die leise im Hintergrund aus einer Anlage ertönte.
    Er hatte in seinem ganzen Leben nur einem einzigen Begräbnis beigewohnt, dem seiner Mutter. Auch damals war er tief berührt gewesen, doch der Schmerz, den er heute empfand, war unvergleichbar größer. Er griff in die Tasche seines Sportsakkos und tastete nach den Baldriandragees, die ihm sein Vater gegeben hatte.
    Er rutschte auf seinem Stuhl herum und sah den Priester steif an ihrem Sarg stehen, die Hände gefaltet, während seine Augen im Saal herumhuschten.
    Anna hielt schluchzend die Hand ihrer Großmutter umklammert. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, nur das lange blonde Haar. Das rothaarige Mädchen, das neben ihr stand und tröstend seinen Arm um ihre zierliche Gestalt legte, kannte er nicht.
    ***
    Sie begruben Katharina am späten Nachmittag. Ihre Mutter, gestützt von Severins Adoptivvater, ihre Großeltern und die beiden Mädchen standen zusammen vor dem Sarg, der Priester neben ihnen; sie warfen in der winterlich anmutenden Sonne lange Schatten. Wenn der Wind sich zwischendurch beruhigte, hörte man unten auf der Straße gelegentlich einen Wagen vorbeifahren.
    Es war schnell vorbei. Nachdem der Priester Katharina und die Trauergäste gesegnet hatte, defilierten die Leute aus dem Dorf vorbei; einige legten Blumen auf den Sarg.
    Severin blieb am Grab stehen, bis der Letzte gegangen war. Sein blonder Engel war tot. Vorher war ihm alles hell, strahlend und leicht erschienen, selbst zuletzt, in der Zeit, in der sie keinen Kontakt miteinander gehabt hatten. Sie hatte ihn beschützt, ihn, den Jungen mit dem Lockenkopf, ihn getröstet, als sie Kinder waren, und ihn grenzenlos geliebt. Katharina erschien ihm damals unsterblich. Jetzt hatte sie ihn verlassen, zurückgelassen mit seiner Sehnsucht. Sie hatte nicht auf ihn gewartet, es gab kein Auf Wiedersehen, keinen Abschiedskuss. Jetzt konnte er nur abwarten, wie es ohne sie weitergehen würde. Konnte es überhaupt weitergehen?
    Er beobachtete die durch das Friedhofstor gehenden Trauergäste. Jeder von ihnen kehrte in sein Leben zurück. Plötzlich hielt Anna inne und drehte sich zu ihm um. Es waren Katharinas Augen, die ihn da anblickten, und sie schauten vorwurfsvoll.
    Wollte sie ihm sagen, dass er ihre Schwester im Stich gelassen hatte? Oder wie kalt die harte Wintererde war und dass Katharina darin fror? Er wandte sich ab, um ihren Augen zu entgehen, die ihn da aus einem fremden Gesicht anstarrten.
    Erst, als sie alle fort waren, konnte er endlich weinen.
    Am Abend starrte er die Decke seines Hotelzimmers an. Ich werde morgen zurückfliegen und Sharon bitten, meine Frau zu werden. Er lebte seit fast drei Jahren in Boston, wo er dank eines Stipendiums am Massachusetts Institute of Technology sein Biochemie-Studium mit Bestnote absolviert hatte. Sein Wirtschaftsstudium hatte er frühzeitig abgebrochen. Hier hatte er auch Sharon kennengelernt.
    Sie waren seit zwei Jahren ein Paar. Und er wusste, dass Sharon auf seinen Antrag wartete.
    Und er musste endlich anfangen, wieder zu leben.

Kapitel 18
    Als Lukas die Baumgrenze verließ und auf das noch leere, einsame Grab zulief, fuhr unten geräuschlos ein Auto vorbei; er nahm nur die Schatten wahr, welche die Bäume durch das Scheinwerferlicht warfen. An der Hügelflanke spiegelten die polierten Grabsteine das Mondlicht wider, als wäre diese Sonne der Nacht eine Vorbotin des Jenseits. Als ob das Jenseits ihn mit dem Lichtspiel auf den quecksilbrigen Schattenrissen locken wollte. Doch er hatte einen Auftrag seines neuen

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