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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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farbenfrohe urwüchsige Leben war das Paradies, von dem er seit seiner Kindheit geträumt hatte.
    Doch nach einem solchen Gewitter kamen auch die Kormorane, und mit ihnen die Erinnerung an seine Blockhütte im Auenwald und an ein Mädchen, das seiner toten Schwester täuschend ähnlich sah. Immer wieder tauchte sie in seinen Alpträumen auf.
    ***
    Der Raum drehte sich. Er hörte einen Schrei, sah Annas Gesicht und die Panik, die sich darin breitmachte. Ihr Mund bewegte sich und formte seinen Namen. Dann wurde ihm schwarz vor Augen, und weiße Flecken tanzten durch den Nebel.
    „Komm jetzt. Komm, Liebster.“
    Eine andere Frau streichelte sein Haar. Er spürte, wie Lippen die seinen streiften. Er versuchte die Augen zu öffnen, aber alles war verschwommen, und er schloss sie wieder.
    „Nein, das darfst du nicht.“ Mit zittrigen Händen tätschelte seine Mutter ihm die Wange. „Mach die Augen auf.“
    Er öffnete die Augen und blickte in das Gesicht der Frau, die ihn eben noch gestreichelt hatte und ihn jetzt auslachte: Katharina.
    Schweißgebadet wachte er auf, rannte ins Freie und stellte sich unter die von Raimundo gebaute Dusche.
    Das Wasser prasselte an seinem Körper hinunter, trotz seiner fünfundfünfzig Jahre immer noch makellos, schlank und athletisch. Er konnte nicht aufhören, an Anna zu denken, seit ihm auf der Beerdigung die verblüffende Ähnlichkeit mit ihrer Schwester aufgefallen war. Die Vorstellung, dass Anna inzwischen achtzehn war, genügte, um jene Erregung auszulösen, die er damals beim Anblick Katharinas empfunden hatte.
    Er schloss die Augen und begann sich zu streicheln. In Gedanken stellte er sich hinter Anna, die sich leicht nach vorne beugte. Mit einer Hand stützte sie sich an der Wand ab, mit der anderen berührte sie seine Hoden und übte einen starken Druck aus. Er schrie, bis die Energie seinen Körper verließ.
    Er öffnete die Augen, kam gewaltig und spritzte sein Ejakulat gegen die Bambuswand.
    Das warme Wasser lief an seinem Körper herunter und reinigte Haut und Gedanken. Und plötzlich wusste er, wie er seiner Qual ein Ende bereiten konnte, um in Frieden leben zu können. Bei den Jivaro-Indianern versuchten schon die jungen Männer die Fähigkeit zu erlangen, die Welt der Geister zu erreichen. Die Jivaro und auch Keniãu hatten es ihm vor Augen geführt, doch er war blind gewesen für die sechs Zeichen ihrer Riten. Durch die Anwendung dieses Rituals würde die Macht von Katharinas rachsüchtiger Seele, die Leidenschaft und Kraft, mit der sie ihn im Traum zu ersticken drohte, gebrochen. Weder Katharina noch Anna würden danach je wieder seinen Schlaf stören.
    Während seiner Abwesenheit würde sich Raimundo um die Fazenda kümmern.
    ***
    Wenige Tage später verfolgte Jakob in seinem Appartement in São Paulo die Fernsehnachrichten. Auf dem Tisch lag noch ungelesen die heutige Ausgabe der Folha de Sao Paulo vom 14. November 1999.
    Er hatte die Fenster weit geöffnet und blickte in den Regen hinaus. Der Duft der Erde stieg ihm in die Nase, und er hätte sich nicht gewundert, wenn draußen auf der Straße ein entwurzelter Ipe-roxo-Baum vorbeigetrieben wäre. Er schloss das Fenster, hockte sich auf das Bett und nahm die von Raimundo zubereitete Portion Peyote-Pilze ein.
    Plötzlich leuchteten die Farben der Bettdecke deutlich intensiver und greller: grün, blau, gelb, rot. Im Hintergrund hörte er ein leises, konstantes Sirren. Verwundert starrte er die Wände an, und seine Gedanken drifteten immer weiter ab. Ein paarmal hörte er ein ziemlich lautes Surren, als flöge ein Insekt dicht an ihm vorbei.
    Jakob schloss für einen Moment die Augen und sah aus Rauten zusammengesetzte fraktale Muster, überwiegend in Blautönen, aber nicht sehr intensiv. Plötzlich fühlte er sich wie ein alter, bettlägeriger Mann. Es kam ihm vor, als würden ganz tief im Inneren liegende Gefühle freigelegt. Seine Stimmungen wechselten immer schneller; seine Gedanken formten sich zu monströsen nebelartigen Gebilden, aus denen sich Katharina, Anna und seine Mutter zu verschlungenen Höllengestalten herausbildeten. Das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos fraß sich in ihn hinein und war auf einmal ein Teil von ihm, nicht unterscheidbar vom Rest. Langsam krochen Angstgefühle hoch, entglitt ihm das Ganze. Die Deckenlampen drehten sich und schwankten vor seinen Augen. Katharinas Gesicht war von farbigen Schlieren überzogen. Stöhnend schloss er die Augen und versank im wirbelnden Strom der

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