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EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller

Titel: EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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Indianern im Amazonas drohte, sondern Hunger und Krankheiten. Das wusste er von Raimundo. Nach den Gesetzen des Regenwalds konnte ein Tier umso schwerer überleben, je größer es war. Nach diesen Maßstäben war der Mensch das größte aller Tiere.
    Der gefährlichste Feind eines Indianers war ein anderer Indianer und nicht er, der fremde Weiße, der ihnen Nahrung und Geschenke brachte. Wenn die kleinen Indiogruppen, die kaum mehr waren als erweiterte Familien, auf ihrer verzweifelten Suche nach Nahrung weiter ins Land vorstießen, gerieten sie stets aneinander.
    Die wenig überlebenden Stämme hatten sich entweder hinter die Stromschnellen der Amazonasnebenflüsse zurückgezogen oder in den kaum zugänglichen Felslandschaften der Bergländer von Guayana und Brasilien Zuflucht gesucht, um nicht in Reservaten zusammengepfercht leben zu müssen.
    Von der brasilianischen nationalen Indianerstiftung FUNAI erhielt Jakob für ein kleines Vermögen die Erlaubnis, die Yanoáma auf den nördlichen Abhängen des Amazonasbeckens oder die Jivaro besuchen zu dürfen. Das war das Erste, was er in Brasilien gelernt hatte: Für Geld konnte man in diesem Land buchstäblich alles kaufen.
    Während Raimundo sich um die Fazenda kümmerte, lebte Jakob monatelang unter den Yanoáma in der Nähe der Wasserscheide zwischen dem Orinoko und dem Amazonas. Er entdeckte, dass die Amazonasindianer überaus mordlustig waren. Fast ein Drittel starb eines gewaltsamen Todes, überwiegend bei Stammesfehden. Bei den Jivaro, die Kopfjäger waren und Schrumpfköpfe herstellten, kam nur ein Mann auf zwei Frauen. Sie nahmen den Tod nicht mit der philosophischen Gelassenheit hin, wie die Yanoáma es taten. Die Jivaro wollten nicht wahrhaben, dass es einen natürlichen oder auch nur einen zufälligen Tod geben konnte. Eine Verletzung, eine Wunde, das war böser Zauber und musste mit gewaltsamem Tod bestraft werden. Eine Erkrankung galt als Folge der bösen Wünsche eines anderen. Derartige Akte von Aggression mussten, wenn nur irgend möglich, gerächt werden.
    Jakob fand diese Betrachtungsweise so anregend, dass er die Sprache der Jivaros erlernte und sie in regelmäßigen Abständen besuchte, wobei er sich ihre Gastfreundschaft und ihr Vertrauen mit Nahrungsmitteln, Spirituosen und Marihuana erwarb, aber nicht zuletzt auch dadurch, dass er sie bei ihren Racheaktionen unterstützte.
    Die Jivaro liebten ihn, weil er furchtlos war, und gaben ihm den Namen Daevas, was ihm außerordentlich gut gefiel. Daevas galt als Wesen der Dunkelheit und als ein Widergott . Er war ein Mischwesen aus Mensch und Tier mit Stoßzähnen, Hörnern und Schwanz, dem alle Übel zugeschrieben wurden: böse Gesinnung, Ungerechtigkeit und Hartherzigkeit, Hochmut und Unduldsamkeit, Raserei und Verwüstung, er war Vater des Gifts und des Todes. Außerdem war Daevas ein Verführer der Menschen, der sie zu Trunkenheit, Unzucht, Neid und Hoffahrt verleitete. Was ihn erstaunte, war, dass die Jivaro ihm einen Namen gaben, der aus dem indo-arischen Sprachraum stammte, und er fand die Vorstellung frappierend, dass er mit ihnen die Wurzel ihrer sprachlichen Herkunft teilte, denn er fühlte sich mit ihnen außerordentlich stark verbunden, nicht zuletzt aufgrund des archaisch natürlichen Verhältnisses zur Gewalt. Am deutlichsten wurde das im anent, im Gesang des Kriegsrituals anemat, in dem der Krieger nicht zögerte, sich auf die Stufe der rohesten Animalität herabzulassen. Mit der Freisetzung dieser Zerstörungslust, die in den Tiefen jedes Menschen schlummerte, knüpfte er an die instinktive Gewalt einer Natur ohne moralische Werte an. O ja, es war eine Ehre, den Namen Daevas tragen zu dürfen.
    Getötet hatte er in Brasilien nur ein einziges Mal. Er hatte die Frau den Pirañhas zum Fraß vorgeworfen. Hier gab es weder Zeugen noch Spuren, hier war er nur der große weiße Daevas oder der Fazendeiro .
    Er blickte auf seine Armbanduhr. Das Gewitter hatte nur eine Stunde gedauert. Der Wald wirkte herrlich frisch, Hunderte von Grüntönen funkelten hell in der Sonne. Eine einzigartige Vogelwelt umgab ihn, Papageien und kleine Affen schrien um die Wette, Tukane und bunte kleine Vögel ließen sich auf dem Strohdach der Hütte nieder. Rotköpfige Sperlinge suchten im Fluss nach Insekten. Laubfrösche in den schillerndsten Farben quakten ohrenbetäubend um die Wette, und scharlachrote Ibisse und Löffler starrten ihn an, als wären sie seine Wächter. Ich werde es vermissen, dachte Jakob. Dieses

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