Eiskalte Versuche
schüttelte den Kopf. „Seine Mutter ist tot. Seit mehr als zehn Jahren, wenn ich mich recht entsinne.“
„Was ist mit seinem Vater?“
„Tot. Ein Autounfall vor ungefähr einem Jahr. Seitdem wirkt John irgendwie verloren.“
„Gibt es niemanden, der sich um ihn kümmert?“
„Oh, er hat eine Familie, das schon. Aber ich glaube, die eigenen Leute haben Angst vor ihm.“
Jack wandte sich um und starrte die Frau ungläubig an.
„Angst? Wegen seines seltsamen Benehmens?“
„Nein … sie behaupten, er wäre keiner von ihnen. Sein Geist gehöre woanders hin.“
Jack runzelte die Stirn. Die Frau sprach weiter.
„Wer weiß das schon?“ murmelte sie. „Jedenfalls stimmt etwas nicht mit seinem Kopf. So viel ist sicher.“
„Er redete die ganze Zeit, dass er sich eine Gitarre besorgen will.“
Sie nickte.
„Davon … und dass er seine Mutter sucht. Verrückt, nicht? Sein ganzes Leben ist er nie über Montana hinausgekommen, und er glaubt, seine Mutter wäre in Memphis. Armer Kerl.“
Der verlorene Klang in der Stimme des Mannes verfolgte Jack. Plötzlich mochte er nicht länger über John Running Horse reden. Er machte seine Einkäufe und verließ den Laden, so schnell es ging.
Kurze Zeit später, auf dem Weg aus der Stadt, sah er den Mann wieder. Er kam ihm zu Fuß am Straßenrand entgegen. Jack überlegte, ob er wenden und ihn mitnehmen sollte, und entschied anders. Etwas sagte ihm, dass John Running Horse nach Memphis wollte und sonst nirgendwo hin.
Zurück in Abbott House, ging er auf sein Zimmer. Er wollte die Einträge in seinem Notizbuch durchsehen und die Einzelheiten, die er von den Einwohnern Bradens über Frank Waltons Leben erfahren hatte, zu einem schlüssigen Bild zusammenfügen. Als gesichert konnte nur gelten, dass Walton seit vielen Jahren hier gelebt hatte und von sich behauptete, er sei Botaniker. Während niemand Näheres über seine berufliche Tätigkeit zu wissen schien, wurde übereinstimmend bestätigt, dass Frank Walton der Nennonkel von Isabella Abbott gewesen war. Das war immerhin ein Ergebnis.
Offen blieb weiterhin, warum Walton seinen eigenen Tod vorgetäuscht und sich hier versteckt hatte. War er allein gewesen, oder hatte er Komplizen? Wie war es ihm gelungen, sich eine neue Identität zu verschaffen? Wer hatte ihm die Papiere besorgt? Aus irgendeinem Grund hatte Jack bei seinem Vorgesetzten den Eindruck gewonnen, dass Vaclav Waller zum Zeitpunkt seines Verschwindens an einer sehr wichtigen Sache beteiligt gewesen sein musste. Forschungen, die bedeutsam genug waren, um heute noch von Interesse zu sein.
Jack schüttelte den Kopf. Ihm fiel nichts ein, das in den vergangenen dreißig Jahren nicht bereits von anderen Ärzten und Wissenschaftlern entdeckt und verbessert worden war. Über welches Wissen könnte der alte Mann verfügt haben, dass er sogar dafür ermordet wurde?
Jack konnte sich keine Antwort vorstellen. Außerdem störte ihn noch immer, dass er Isabella Abbott hinterging, indem er seine wahre Identität verheimlichte. Was sie über ihn dachte, sollte ihm gleichgültig sein. Er war nicht für sie verantwortlich. Trotzdem hatte er Schwierigkeiten, mit der Lüge zu leben.
Er war noch in dem moralischen Zwiespalt gefangen, als sein Handy klingelte. Er sah auf das Display und runzelte die Stirn. Das Anzeigefeld blieb leer. Er meldete sich, hörte die Stimme seines Vorgesetzten und begriff, dass das Gespräch zerhackt wurde.
„Sir?“
„Dolan, wir haben ein paar interessante Neuigkeiten, die Sie erfahren sollten.“
„Ja, Sir?“
„Es gibt Grund zu der Annahme, dass der Mann, auf dessen Konto der Mord an Walton geht, auch sein Rückflugticket nach Braden benutzt hat.“
Jack hörte die Worte. Dann breitete sich langsam der Schock in seinem Körper aus.
„Sind Sie sicher, Sir?“
„So sicher wir sein können, so lange keiner weiß, wer der Mann ist.“
„Wissen wir wenigstens, wie der Kerl aussieht, der das Ticket benutzt hat?“
„Nein.“
„Gehen wir noch immer davon aus, dass es sich um eine Tat handelt, die von einer fremden Macht veranlasst wurde?“
„Ja.“
„Verdammte Sch…“
Am anderen Ende der Leitung war ein leises Lachen zu hören.
„Das denke ich auch“, sagte der FBI-Direktor und wurde gleich wieder sachlich. „Wie die Fakten liegen, rate ich Ihnen zu äußerster Vorsicht. Wir können nicht im Geringsten abschätzen, was der Verdächtige vorhat.“
„Gut, Sir. Wissen wir wenigstens, wer zum Kreis der gefährdeten
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