Eiskalter Wahnsinn
Gruß und nahm ihn als Aufforderung näher zu treten. Das Geräusch der schweren Baumaschine dröhnte ihm in den Ohren, und er spürte die Vibrationen von den Zehen bis zu den Zähnen. Was Luc faszinierte, ängstigte Scrapple halb zu Tode. Was für eine Memme, stahl riesige Knochen und hatte Angst vor ein bisschen Lärm. Der kleine Hund folgte Luc so dichtauf, dass er ihm mit der Nase in die Waden stieß.
Das riesige gelbe Maul der Raupe nahm noch einen Bissen, der aus zerkleinertem Fels, Gebüsch und Müll bestand. Diesmal löste sich ein verrostetes Fass und rollte den Felshaufen hinab. Es krachte gegen die scharfen Felskanten, platzte auf, und der Deckel flog wie eine Frisbee-Scheibe davon.
Luc sah dem Deckel nach, verblüfft von seiner Geschwindigkeit und Flugbahn. Den verschütteten Fassinhalt bemerkte er nur aus den Augenwinkeln. Zuerst hielt er es für alte Kleidung oder einen Haufen Lumpen. Dann entdeckte er einen Arm und dachte an eine Schaufensterpuppe. Schließlich diente das hier jemand als Müllkippe.
Aber dann bemerkte er den Gestank.
So roch kein gewöhnlicher Müll. Nein, das hier roch anders. Es roch nach … Tod. Es machte ihm nicht wirklich Angst, bis Scrapple anfing zu heulen – ein hoher lang gezogener Ton, der den Lärm der Maschine übertönte und Luc eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
Calvin hielt die Schaufel in der Luft an und schaltete den Motor aus. Plötzlich verstummte auch Scrapple, und eine unheimliche Stille senkte sich herab. Luc ließ das Fass nicht aus den Augen, bemerkte jedoch am Rande, wie Calvin sich die Kappe in den Nacken schob. Reglos warf er einen Blick zu dem kräftigen Mann in der Fahrzeugkabine, der jetzt wie gelähmt dasaß.
Luc bemerkte ein Pochen in den Ohren, das keine Nachwirkung des Maschinenlärms war. Vielmehr hämmerte sein Herz so laut, dass er kaum die vorbeifliegenden Gänse hörte. Ein Schwarm aus dutzenden Tieren schrie und quakte auf der täglichen Pilgerreise zum McKenzie Reservoir oder zurück. In der Ferne hörte er das Brummen des Berufsverkehrs auf der I-91. Die alltägliche Geräuschkulisse eines ganz normalen Tages.
Ein normaler Tag, dachte Luc versonnen, als er die Morgensonne durch die Bäume kommen und das bläulich weiße Fleisch bescheinen sah, das aus dem Fünfundfünfzig-Gallonen-Fass gerollt war. Er fing Calvins Blick auf und erwartete, in dessen Miene dieselbe Panik zu erkennen, die er empfand. Panik war vielleicht vorhanden, eventuell sogar ein wenig Abscheu über den Anblick. Was Luc zu seinem Erstaunen in Calvins Gesicht jedoch nicht sah, war Überraschung.
3. KAPITEL
FBI-Akademie,
Quantico, Virginia
Maggie O’Dell langte nach dem letzten Doughnut mit Schokoladenguss und Zuckerstreuseln in grellem Pink und Weiß und hörte bereits das tadelnde „Ts, Ts“ ihres Kollegen. Sie warf ihrem Partner, Spezialagent R. J. Tully, einen Blick über die Schulter zu.
„So was isst du zum Lunch?“ fragte er.
„Zum Nachtisch.“ Sie wählte noch ein kleines, in Zellophan gewickeltes Tablett mit der täglichen Spezialität der Cafeteria. Etwas, das auf der Wandtafel als „Tacorito Super“ angepriesen wurde. Maggie dachte unwillkürlich, dass nicht mal das FBI etwas so Gutes wie mexikanische Gerichte verhunzen konnte.
„Doughnuts sind kein Dessert“, beharrte Tully.
„Du bist nicht zufällig sauer, weil es der letzte war?“
„Ich muss doch bitten. Doughnuts sind Frühstück. Kein Dessert“, belehrte er sie und hielt die Schlange auf, während er darauf wartete, dass Arlene ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte, die gerade einen aus dem heißen Ofen genommenen Topf mit Sahnemais abstellen musste. Dann deutete er auf das Roastbeef. „Fragen wir die Expertin. Doughnuts sind doch Frühstück, oder, Ariene?
„Also, wenn ich Agentin O’Dells Figur hätte, könnten Sie mich zu jeder Mahlzeit Doughnuts essen sehen.“
„Danke, Arlene.“ Maggie stellte noch eine Diät-Cola auf ihr Tablett und deutete der Kassiererin, einer kleinen, ihr unbekannten Frau mit Maulwurfsgesicht, an, dass sie auch für die Speisen auf dem nachfolgenden Tablett zahle.
„Wow“, machte Tully, als er ihre Großzügigkeit bemerkte. „Aus welchem besonderen Anlass?“
„Willst du behaupten, ich zahle nie, außer zu besonderen Anlässen?“
„Nun ja, einmal das … und dann der Doughnut.“
„Könnte es nicht sein, dass ich einfach einen guten Tag habe?“ sagte sie ihm auf dem Weg zu einem Fenstertisch. Draußen beendeten auf einer der vielen
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