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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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seltsamen Namen und Begriffen um sich, wie geil dieses oder jenes war und wie viel Kohle sie damit machen würden oder schon gemacht hatten. Einer sprach von einer neuen Lieferung. Ich erkannte den Skarabäus. Einen anderen sah ich nur von hinten, aber ich erkannte ihn trotzdem. Der Typ mit den kurzen Beinen, der sich in meinem Zimmer versteckt hatte. Eine Hand kam näher, die des Skarabäus, dank seiner Tätowierung nicht zu verfehlen. Er drückte Vanessa ein Päckchen in die Hand. »Spitzenzeug«, sagte er. »Wirst du nicht bereuen.« Geld wechselte den Besitzer. Man konnte Vanessa lachen hören, ihr perlendes, glockenklares Lachen. »Und wehe nicht«, sagte sie. »Dann geht's dir an den Kragen.« Dann musste sie sich langsam im Kreis gedreht haben, um alle richtig ins Bild zu bekommen, denn zum Schluss war jedes Gesicht deutlich zu sehen. Es war die perfekte Aufnahme, die jeden der Anwesenden belastete. Ein absolut gefundenes Fressen für die Polizei.
    Ich blieb eine Weile lang still. »Warum um alles in der Welt hat sie das aufgenommen?«, fragte ich schließlich. Das war mir zu hoch. Ich verstand das nicht. Drogen selbst zu nehmen war eine Sache, aber die Dealer filmen?
    Leander vermied es, mich anzusehen. »Sie war nicht die, für die wir sie gehalten haben. Sie war total anders. Die Vanessa, die wir kannten, war nur eineMaske. Ein Fake . Oder vielleicht war es das, was von der echten Vanessa noch übrig war, keine Ahnung. Wir haben sie alle …« Er stockte. »Es hat sie alles gelangweilt. Sie hat den Kick gesucht. Immer wieder einen neuen. Es fiel ihr ja alles so leicht. Da hat sie sich irgendwann mit diesen Typen eingelassen. Und ich schätze mal, Drogen haben sie dann auch langsam gelangweilt, aber das Video, das war der ultimative Kick. Die ganze Bagage in der Hand zu haben, sie erpressen zu können oder so. Wir waren alle nur Mittel zum Kick.«
    »Woher weißt du das auf einmal alles?« Die Art, wie er von ihr redete, machte mich stutzig. Er hatte sie entthront, aber da war noch etwas anderes. Er war tief verletzt, geradezu verbittert.
    »Ich weiß es eben. Und ich weiß jetzt auch, wozu die fähig sind. Jedenfalls glaube ich nicht mehr an einen Unfall. Die haben Vanessa aus dem Weg geschafft. Dreimal darfst du raten, warum, sie muss denen irgendwie gesteckt haben, dass sie das Video hat. Und dir …«
    Die Szene im Wald erschien wieder vor meinen Augen. Vanessa am Baum, der Typ davor, die Arme lässig abgestützt. Sie sahen aus wie ein Liebespaar, aber sie waren keins. Und die Bitte in Vanessas Augen, die war echt. Ein stummer kleiner Hilferuf, den ich nicht kapiert hatte.
    »… und mir wollten sie es in die Schuhe schieben«, beendete ich seinen Satz. »Zur Sicherheit. Falls es doch nicht wie ein Unfall aussah. Weil ich soschön eifersüchtig herumgebrüllt habe.« Das Baumhaus fing an, sich um mich zu drehen, und ich setzte mich schnell auf den Boden, legte mich hin, vergrub mein Gesicht in seiner Jacke, die da lag, die muffig und ungewaschen und doch wie Leander roch. Der Bretterboden quietschte. Leander hatte sich neben mich gelegt, stumm schlang er den Arm um mich. Nichts hatte ich mir in den letzten Wochen mehr gewünscht. Aber genießen konnte ich es nicht. Mein ganzer Körper bebte. Vor Wut, vor Schock.
    »Ich trau mich nicht damit zur Polizei«, sagte er leise. »Ich meine, die werden die Typen ja nicht alle sofort verhaften, oder? Man weiß doch, wie das ist. Die tauchen unter, hauen ab, was weiß ich. Und dann lauern sie mir irgendwann auf und machen mich fertig. Scheiße, Mann, ich will Informatik studieren. Da will ich mir nicht das Gehirn zu Brei schlagen lassen. Die waren heute zu zweit, sind wie aus dem Nichts aufgetaucht. Und wenn nicht so ein paar Bauarbeiter um die Ecke gekommen wären, dann könntest du mich jetzt wahrscheinlich im Krankenhaus besuchen.«
    »Was schlägst du dann vor?«, flüsterte ich.
    »Ich gebe es ihnen. Ganz einfach. Dann ist Ruhe.«
    Ich setzte mich hin. »Aber vorher machen wir eine Kopie. Du gibst ihnen das Ding, aber wir speichern das Video und schicken es anonym an die Polizei.«
    »Anonym. Als ob die nicht deine IP-Adresse herausfinden können. Außerdem will ich nicht ins Hausund dort Licht machen.« Leander setzte sich ebenfalls auf und schüttelte den Kopf.
    »Gib mir das Ding.« Ich streckte die Hand aus. »Ich lass mir was einfallen. Okay? Ich mache eine Kopie und irgendwie drehen wir das. Und du solltest wirklich nicht alleine zu Hause bleiben. Was,

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