Eiskaltes Schweigen
Jahrelang wurde sie von einer Tante zur anderen weitergereicht, während die verarmte Mutter in Kliniken und Entziehungsanstalten verkümmert ist. Ich nehme an, damals hat sie beschlossen, nie wieder arm zu sein.«
Wir tranken wieder. Küssten uns wieder. Leonhard Cohen hatte inzwischen Patricia Kaas das Feld überlassen. Ich stellte fest, dass ich Französisch zurzeit nicht allzu gerne hörte.
»Und am Montag werde ich sie wohl oder übel freilassenmüssen«, sagte ich, als wir wieder voneinander ablieÃen. »Sie wird ungestraft davonkommen, so sehr es mich auch wurmt.«
»Das denke ich nicht«, meinte Theresa mit gesenktem Blick.
»Was denkst du nicht?«
»Dass sie ungestraft davonkommen wird.« Sie sah auf. Ihr Blick wurde ernst und traurig. »Sie muss ein zutiefst unglücklicher Mensch sein, weil sie kein Vertrauen haben kann. Sie hat ihre Männer immer nur benutzt. Sie kann nicht lieben.«
»Das sind die gefährlichsten Frauen«, sagte ich nachdenklich. »Sie machen die Männer verrückt, weil sie immer neue Liebesbeweise fordern.«
»Trotzdem wäre es mir lieber, sie würde verurteilt.«
Theresa nahm meine Hände zwischen ihre, sah mir eine Weile konzentriert ins Gesicht, als wollte sie prüfen, ob ich noch der Alte war, und sagte dann: »Ich liebe dich, Alexander.«
Sie küsste mich mit vom Wein kühlen Lippen auf den Mund.
»Das hast du so noch nie so gesagt.«
»Was ein Fehler war, ist mir in den vergangenen Tagen und Wochen klar geworden.«
»Ich liebe dich auch.«
»Na endlich.«
Plötzlich mussten wir beide lachen. Wir stieÃen wieder an. Ein die meiste Zeit vor sich hin schweigendes Paar am Nachbartisch sah mit dezentem Kopfschütteln zu uns herüber.
Ich senkte den Blick. Räusperte mich. »Was ich dich schon immer mal fragen wollte.« Ich räusperte mich ein zweites Mal, aber der Kloà in meinem Hals wollte sich nicht lösen. »Was ist eigentlich mit deinem Mann?«
»Egonchen?« Sie lächelte friedlich. »Der ist in unserem Haus am Bodensee und erholt sich. War ja auch für ihn keine leichte Zeit.«
»Das habe ich eigentlich nicht gemeint.«
»Es geht ihm schon wieder viel besser.«
Ich schwieg. Theresa zögerte, schlug dann die Augen nieder. »Du meinst, wegen uns?«, fragte sie endlich.
Ich musste lange auf die Antwort warten. Patricia Kaas sang mit rauchiger Stimme von Hotel Normandy.
»Ich kann es dir nicht sagen, Alexander«, sagte TheresaschlieÃlich leise. »Es geht einfach nicht, bitte glaube mir. Nur so viel: Du musst dir keine Gedanken machen. Nichts ist so, wie du denkst.«
Ich überlegte, was ich mit dieser rätselhaften Antwort nun anfangen sollte, und küsste Theresa schlieÃlich auf die Nase.
»Na dann«, sagte ich. »Dann ist ja wohl alles gut.«
Sie kicherte wie ein sehr glückliches Mädchen und fiel mir mit Schwung um den Hals.
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