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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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der folgenden Stunden las ich die knapp zweihundert Seiten aufmerksam, blätterte oft zurück und kam immer mehr ins Grübeln.
    Am Dienstag war ich wieder auf den Beinen, ein wenig wackelig noch, aber es wurde mit jeder Stunde besser. Dies und jenes tat noch weh, aber es ging offenkundig aufwärts mit mir. Wir frühstückten gemeinsam, die Zwillinge freuten sich, dass unser Leben wieder war wie früher, und gingen sogar ohne Murren zur Schule. Den Vormittag über las ich Durians Buch ein drittes Mal.
    Später ging ich ein wenig einkaufen, und es gelang mir, nicht dauernd über die Schulter zu blicken. Aber schon jetzt wusste ich: es würde lange dauern, bis ich die Erlebnisse der letzten Woche verarbeitet hatte. Zu Mittag gab es ein Festessen für die Zwillinge: Pfannkuchen mit Nutella. Für mich mit Schinken und Käse.
    Später hatte Louise wieder einmal dringend etwas in der Stadt zu erledigen, und ich nutzte die Gelegenheit, um mit Sarah zu sprechen.
    Â»Fährt sie wieder nach Mannheim?«
    Sarah saß mir gegenüber in einem Sessel und fühlte sich unbehaglich.
    Â»Du musst nicht petzen.«
    Â»Das mit Pit ist vorbei, glaub ich«, murmelte sie und betrachtete eingehend ihre heute pinkfarbenen Fingernägel. »Keine Ahnung, was sie treibt. Sie verrät mir ja nichts.«
    Â»Wie alt ist dieser Pit eigentlich?«
    Â»Dreiundzwanzig.«
    Â»Hätte sowieso nicht so recht gepasst, findest du nicht auch?«
    Â»Hm.«
    Offenbar war ich auf vermintes Terrain geraten. Ich ließ das Thema erst einmal auf sich beruhen.
    Â»Hast du schon eine Mail nach Frankreich geschrieben?«
    Jetzt strahlte sie. »Pascal ist sooo süß, Paps! Meinst du, wir könnten mal zusammen nach Saint Dié fahren, damit du ihn kennenlernst?«
    Â»Du kannst ihn auch gerne mal für ein Wochenende einladen.«
    Â»Echt? Das würdest du erlauben?«
    Â»Ich werde aber nicht erlauben, dass ihr in einem Bett schlaft.«
    Sie sah mich erst verdutzt, dann entsetzt an. »Das hast du gedacht? Dass wir die Betten brauchen, um …? Das hast du nicht wirklich gedacht, oder?«
    Hoppla, schon wieder ein explosives Thema.
    Â»Es …« Ich räusperte mich. »Was soll ich sagen – es lag irgendwie auf der Hand. Ihr seid fünfzehn. Ihr seid keine Kinder mehr, erklärt ihr mir jeden Tag fünfmal …«
    Â»Aber Paps!« Sie war wirklich fassungslos. »Loui und ich … Wir werden erst mit einem Mann schlafen, wenn wir mit ihm verheiratet sind. Das haben wir uns ganz fest vorgenommen.«
    Andere Zeiten, andere Sitten.
    Â»Und wozu dann die breiten Betten?«
    Â»Na, damit wir zusammen drin schlafen können, wenn wir Lust haben. Wenn Pascal mich besuchen kommt, dann kann er mein Bett haben, und ich schlafe bei Loui. Ist doch praktisch so, findest du nicht?«
    Da saß ich nun und fühlte mich schlecht.
    Â»Aber Louise und Pit?«, wagte ich schließlich doch zu fragen.
    Â»Ich glaub nicht, dass da wirklich was war. Als du weg warst, hat sie mir gestanden, dass er bloß mit ihr geübt hat. Er hat ein Klavier daheim und hat ihr ein bisschen Unterricht gegeben. Sie ist auch tatsächlich besser geworden.«
    Â»Aber du hast auch was anderes gedacht, gib’s zu.«
    Sie nickte mit gesenktem Blick.
    Â»Warst du ein bisschen eifersüchtig?«
    Â»Gar nicht! Wie kommst du darauf?«
    Es stimmte tatsächlich: Meine Töchter konnten einfach nicht lügen.

39
    Am Mittwoch war ich gegen Sönnchens halb entsetzten, halb erfreuten Protest wieder im Büro. Ich führte einige Telefonate, und dann war ich mir meiner Sache sicher. Aus einer Vermutung war ein begründeter Verdacht geworden. Als letzte wählte ich die Nummer des Hotels Europäischer Hof.
    Â»Frau Durian hat heute Morgen ausgecheckt, tut mir leid«, erklärte mir eine bestens gelaunte junge Frau.
    Â»Hat sie gesagt, wohin sie wollte?«
    Â»Einen Augenblick bitte …« Sie sprach kurz mit einem Kollegen, lachte. »Auf dem Weg nach Frankfurt ist sie«, sagte sie dann, »zum Flughafen. Sie hat vor einer guten Stunde das Haus verlassen.«
    Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, um herauszufinden, dass Irina Durian einen Flug zum Owen Roberts International Airport gebucht hatte, auf der Insel Grand Cayman. Ihre Maschine ging um halb zwölf. Mir blieben gerade noch anderthalb Stunden. Die anerkannt beste und

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