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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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schnellste Autofahrerin der Polizeidirektion Heidelberg hieß Klara Vangelis. Sie war sofort bereit, mich nach Frankfurt zu bringen.
    Die Fahrt war die Hölle. Ich starb tausend Tode, aber wider Erwarten erreichten wir den Flughafen lebend. Die Hölle dauerte dreißig Minuten, und die Entfernung, die wir in dieser Zeit zurücklegten, betrug dreiundachtzig Kilometer. Inklusive drei Baustellen und einem Stau von vier Kilometern bei Zwingenberg, den Vangelis mit hundertzwanzig Stundenkilometern auf dem Standstreifen überholte.
    Unterwegs telefonierte ich fast ununterbrochen. Irina Durian hatte bereits eingecheckt und saß im Wartebereich von GateC6. Bislang hatte ihr Flug keine Verspätung. Als ich in Frankfurt benommen aus dem BMW kletterte, dessen Blaulicht noch immer zuckte, war es zehn Uhr einundvierzig. Mir blieb eine Dreiviertelstunde.
    Â»Ihrem Mann geht es besser«, eröffnete ich das Gespräch mit einer Lüge und drückte ihr fest die Hand. »Die Ärzte gehen davon aus, dass er durchkommen wird.«
    Â»Danke«, erwiderte sie mit einem schmalen, tapferen Lächeln. »Diese ganze Sache, die Morde, Ihre Entführung, all das hat mir sehr zugesetzt.«
    Wir nahmen Platz. Die Kollegen von der Bundespolizei hatten mir ein helles, spartanisch eingerichtetes Büro zur Verfügung gestellt. Offensichtlich diente es ausschließlich dem Zweck, Gespräche zu führen, wie ich nun eines führen musste. Sogar Kaffee stand auf dem Tisch. Er schmeckte fast so schlecht wie der in Durians Lieferwagen.
    Irina Durian war blass und erschöpft, aber gefasst. Sie nahm ihren Kaffee mit Milch und zwei Würfeln Zucker. Ruhig und ohne Erwartungen sah sie mir in die Augen, während sie einen ersten, vorsichtigen Schluck nahm. Heute trug sie eine sandfarbene Tuchhose zu einer schlichten, aber ebenfalls wie maßgeschneidert sitzenden weißen Bluse. Darüber einen legeren dunklen Blazer.
    Â»Man sieht Ihnen an, was Sie durchgemacht haben«, sagte sie mitfühlend, als sie die Tasse abstellte. »Es tut mir so leid, was Michael getan hat.«
    Ich faltete die Hände auf dem Tisch und bedankte mich für ihr Mitgefühl.
    Â»Weshalb ich Sie noch einmal sprechen wollte«, begann ich dann. »Ich war ja notgedrungen eine ganze Weile mit Ihrem Mann zusammen und hatte viel Gelegenheit, mich mit ihm zu unterhalten. Und inzwischen wurde mir klar, dass ich manches trotzdem noch nicht verstanden habe.«
    Hinter ihrem Rücken, über der Tür, tickte eine Bahnhofsuhr in Miniaturform. Fünf vor elf. Noch eine gute halbe Stunde, dann musste sie los.
    Wie anfangen?
    Â»Sie können vielleicht nachfühlen, wie wichtig es für mich ist, die Zusammenhänge zu verstehen. Zu begreifen, was Ihren Mann umgetrieben hat, wie alles kam, warum mir das zugestoßen ist. Zustoßen musste, vielleicht.«
    Â»Sie glauben an Schicksal?«
    Ich zuckte die Schultern. »Ich glaube an Logik.«
    Â»Sie waren tagelang in ständiger Lebensgefahr.« Sie schlug die sehenswerten dunklen Augen nieder. »Ich stelle mir das schrecklich vor.«
    Â»Ja, es war schrecklich. Und auch wieder nicht. Es war völlig anders, als man sich so etwas ausmalt. Viel weniger spektakulär. Man funktioniert einfach. Man ist reduziert auf seinen Überlebenswillen, auf Reflexe, Instinkte.«
    Sie nickte in Gedanken. Den Blick hielt sie immer noch gesenkt. »Es versteht sich von selbst, dass ich helfe, wo ich kann. Fragen Sie nur. Ich werde antworten, soweit ich die Antworten kenne.«
    Aber wo anfangen?
    Mit Durians Buch. Ich hatte es mitgebracht, legte es auf den Tisch. Sie betrachtete es neugierig. Irina Durian hatte ein schönes Lächeln, das immer ein wenig geheimnisvoll blieb. Die Bluse stand gerade so weit offen, dass ich den Ansatz ihrer Brüste sehen konnte. Und ich war mir sicher, dass sie sich dessen bewusst war. Ich begann zu blättern und zu erzählen, was ich inzwischen fast auswendig wusste. Von Durians Plänen, ein Haus zu bauen, von Anita Bialas.
    Â»Wir hatten uns beide so auf das Haus gefreut«, sagte sie leise. »Sonne, ein Garten, frische Luft und vielleicht wirklich Kinder. Ich weiß nicht, ob Sie das kennen: Wenn man ein Haus plant, dann scheint in unseren Träumen immer die Sonne. Nie stellt man sich sein neues Heim im Regen vor.«
    Â»Sie sind im Sommer eingezogen.«
    Â»Es war eine glückliche, turbulente Zeit. Ich hatte schon die

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