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Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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Trippelschritten voran. »Ihre Frau hat mich beeindruckt«, rief er über die Schulter hinweg, während sie aus dem Schatten in die grelle Sonne traten. »Sie musste einige bürokratische Hürden überspringen, um die beiden Grabstellen zu bekommen. Es ist ein sehr kleiner Friedhof.«
    Vor einem quadratischen Rasenstück blieb er stehen.
    Zwei Grabstellen … Sanna hatte an alles gedacht, wie immer, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Joentaa starrte auf die Stelle, die sie sich erstritten hatte. Ihm wurde schwindlig. Der Pfarrer sprach ihn an, aber er hörte nur hallende Laute. »Herr Joentaa…«
    »Entschuldigung«, sagte Joentaa.
    »Wann ist sie gestorben?«, fragte der Pfarrer.
    »Gestern Nacht.«
    Der Pfarrer nickte. »Ich habe Ihre Frau gemocht. Sie war … sehr stark. Ich glaube, sie hat ihren Tod wirklich akzeptiert. Ich habe viele sterbende Menschen begleitet, aber das habe ich selten erlebt.« Er schien nachzudenken. »Sind Sie gläubig?«, fragte er. Joentaa war von der Frage völlig überrumpelt.
    »Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen, entschuldigen Sie. Ihre Frau hat mir erzählt, dass sie nicht gläubig sei, zumindest keiner Religion angehöre. Das hat mich überrascht …« Er schwieg eine Weile. Dann straffte er sich und drückte fest Joentaas Hand. »Ich wünsche Ihnen die Stärke, die Ihre Frau gehabt hat«, sagte er. Als Joentaa den Kopf hob, sah er ein Lächeln im Gesicht des Pfarrers, das ihn irritierte.
    Der Pfarrer nickte ihm zu und wandte sich ab. Joentaa sah ihm nach, bis er im Innern der Kirche verschwunden war. Er stand eine Weile, dann ging er langsam in Richtung des Abhanges, der ans Wasser führte. Er setzte sich auf eine morsche Holzbank am Rand der Klippen.
    Ein Motorboot zerschnitt die ruhige Wasserfläche. Der Lärm ebbte langsam ab. Die Autofähre bewegte sich gemächlich auf das gegenüberliegende Ufer zu.
    Er dachte über das Lächeln des Pfarrers nach und deutete es als Ausdruck eines Gottvertrauens, das er nie hatte nachvollziehen können. Ein Gottvertrauen, das die Trauer auffing, weil es das Entsetzliche des Todes nicht anerkannte, weil es seine Endgültigkeit leugnete.
    Aber Sannas Tod war endgültig.
    Er bemühte sich zu akzeptieren, dass Sanna ihren Tod geplant hatte, ohne ihn zu beteiligen, aber es fiel ihm schwer. Er redete sich gegen seinen Willen ein, hintergangen worden zu sein, und versuchte gleichzeitig zu begreifen, dass Sannas Verhalten Verständnis und Zuneigung verriet. Sie hatte ihn vor vollendete Tatsachen gestellt, weil sie seit ihrem Gespräch im Frühjahr gewusst hatte, wie unerträglich groß seine Angst vor ihrem Tod gewesen war.
    Bei dem Gedanken, dass sie, die Schwerkranke, ihn, den Kerngesunden, hatte schonen wollen, löste sich der Schmerz. Er begann zu weinen und laut mit sich selbst zu sprechen. Er warf sich vor, versagt zu haben … sie mit ihrer Todesangst allein gelassen zu haben, weil er sich verzweifelt und hartnäckig an die falsche Hoffnung geklammert hatte, sie könne überleben.
    Dann schlug seine Stimmung um, und er bildete sich ein, Sanna habe ihn gezielt in diesen Konflikt mit sich selbst gestürzt, habe ihn über ihren Tod hinaus quälen wollen.
    Der Gedanke verschwand so schnell, wie er gekommen war, und er begriff nicht, wie er ihn hatte denken können. Dennoch blieb die Angst, dass er das, was sie getan hatte, nie ganz begreifen würde.
    Die Sonne bewegte sich langsam auf die Wasserfläche zu.
    Er versuchte, darüber nachzudenken, was morgen sein würde, aber da war nichts.
    Als er über den schmalen Kiesweg zu seinem Wagen ging, sah der Friedhofsgärtner auf, streckte seinen Kopf der Sonne entgegen und rief ihm zu, es sei ein herrlicher Tag.

5
    Sein Wunsch war erfüllt worden, er hatte lange geschlafen.
    Es war noch nicht dunkel, als er erwachte, aber die Sonne stand schon tief. Er startete den Wagen und fuhr hinunter ans Meer, um sie untergehen zu sehen.
    Der Strand war noch bevölkert von Menschen. Er setzte sich auf eine abseitsstehende Bank und sah den roten Feuerball, der knapp über den Bäumen der gegenüberliegenden Insel stand.
    Er versuchte sich vorzustellen, was Frau Ojaranta gerade machte, aber der Rahmen seines Gedankenbildes blieb leer. Die Sonne verschwand langsam hinter den Bäumen. Er senkte den Kopf, schloss die Augen und hörte, wie sie brodelnd und zischend ins Wasser sank. Als er aufsah, stand das Meer schon in Flammen, die Menschen waren verschwunden.
    Er ging langsam in Richtung des

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