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Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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noch schlimmer.«
    »Okay. Und wieso sollte mich dieser Säufer interessieren?«
    »Stell dir vor, dir tut ständig etwas weh. Wie eine Brandwunde, sagen wir mal – deine Haut fühlt sich an, als ob sie brennt. Vielleicht auch nicht ganz so dramatisch. Du hast einfach das Gefühl, dass es dir das Herz bricht. Die ganze Zeit, Tag für Tag, aus keinem besonderen Grund – und die einzige Zeit, in der dieser Schmerz nicht mehr zu spüren ist, unter Alkohol. Das war Henrys Leben. Es machte ihn mürrisch und arbeitsunfähig. Deshalb ist er auch aus dem Reservat rausgeflogen. Er kam x-mal in den Knast. Und die ganze Zeit diese Wunde, diese Qualen. Dann schaffte er es eine Zeitlang, trocken zu bleiben. Dank einer unglaublichen Willensanstrengung ist ihm das gelungen. Er hat sogar geheiratet und einen Job bekommen. Den Job hatte er nicht lange – die Art von Job ist immer von kurzer Dauer. Also fing er wieder an zu trinken. Daraufhin hat seine Frau ihn verlassen.«
    »Ein Loser. Sie beschreiben da einen Loser.«
    »Ich beschreibe einen Menschen. Henry hat das Trinken aufgegeben. Und, nein, das kam nicht über Nacht. Er brauchte viele Anläufe, es gab viele Rückschläge, aber der Mann hat mit dem Trinken aufgehört. Wenn er nüchtern war, hatte Henry geschickte Hände, er war gelernter Schreiner. Er hat einiges am Haus getan. So hab ich ihn kennengelernt. Er kannte sich mit vielem aus: Elektro-, Klempnerarbeiten, Jagd, Fischen. Und er las unheimlich gern. Liebte Bücher. Liebte eine gute Geschichte. Liebte einen guten Witz. Hatte einen tollen Sinn für Humor. Irgendwie trocken.
    Er kam dann zu mir, um ganz für mich zu arbeiten, das, was gerade anfiel. Ich zahle ihm nicht viel – hab ihm nie sonderlich viel gezahlt –, dafür hatte er freie Unterkunft, und er mochte die Stille. Mochte den Wald. Vielleicht mochte er sogar mich. Schien zumindest so. Einmal hab ich ihn gefragt, was er gegen all diesen Schmerz getan hätte – wie der verschwunden sei. Und er hat geantwortet, er sei nie verschwunden. Er sei immer noch da. Jeden Tag. Er versuchte nur einfach nicht mehr, dagegen anzugehen. Er ließ es dabei bewenden, und ab und zu vergaß er ihn sogar. Er hatte ein hartes Leben. Für jemanden wie mich, der so viel Glück gehabt hat, ein unvorstellbar hartes Leben. Aber irgendwie konnte er jetzt wieder lächeln. Lachen. Und sich an kleinen Dingen freuen – Frühstück zubereiten, eine Tür einhängen oder einem alten Mann Gesellschaft leisten. Ich kann nicht behaupten, er wäre ein glücklicher Mensch gewesen – Henry –, aber er war ein anständiger Mensch, und er meinte, er hätte noch nie so schön gewohnt wie in dieser Baracke. Und jetzt liegt er mit einem Loch im Kopf da drinnen, weil dein sogenannter Papa es so haben wollte. Es gab nicht den geringsten Grund dafür, doch damit war Henrys Leben zu Ende.«
    »Das wissen Sie nicht.«
    »Oh, doch. Und du auch.«
    »Der Highway ist da vorn, Mr. Kreeger. Würden Sie sich jetzt bitte umdrehen?«
    Er drehte sich um und machte genau einen Schritt, blieb stehen und sah sie wieder an. »Möchtest du wirklich so sein?«
    »Mich hat keiner danach gefragt, was ich sein will.«
    »Aber was du machst – was du machst, das bestimmst du.«
    »Wenn Sie das Leben wirklich so rosarot sehen, wieso fällt es Ihnen dann so schwer, mir irgendetwas von dem zu glauben, was ich Ihnen sage? Sehen Sie einfach, wo Sie hintreten, und setzen Sie mit diesen Schneeschuhen hübsch einen Schritt vor den anderen, und wir kriegen Sie sicher zum Highway. Wissen Sie was? Wie wär’s, wenn wir ein bisschen singen würden? Sie kennen nicht zufällig irgendwelche Mit-Schneeschuhen-durch-den-Wald-Wald-Wald-Lieder? Wenn wir für den Rest des Weges singen, wird uns schön warm, und ich kann mir keine bessere Möglichkeit denken, das hier hinter uns zu bringen, ich meine … was auch immer.«

[home]
    40
    I n geduckter Haltung schaffte es Cardinal bis zum Rand der Böschung und sprang. Er kam ins Rutschen, und spitze Steine schnitten ihn in die Oberschenkelknochen und ins Schienbein. Die Baumreihe gab ihm ein wenig Deckung, solange der Schütze nicht ebenfalls den Abhang herunterkam. Diesmal hast du dich selber reingeritten, sagte er sich. Delorme gleich mit.
    Die Böschung endete an einem kleinen Bach, der nur halb zugefroren war. Schnell strömendes, schwarzes Wasser, das an Stellen, wo es Felsen überwand, silbern sprudelte. Cardinal hockte sich hinter ein dichtes Gebüsch und versuchte, noch einmal

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