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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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sickerte in Sekundenschnelle genauso viel Blut, wie er abgewischt hatte.
    Er war fast so außer Atem wie sie. Er keuchte schwer und blinzelte hektisch, als müsste er gegen eine Ohnmacht ankämpfen. Sein Oberkörper war in der Taille abgeknickt. Nach ihrem Schlag gegen seine geprellten Rippen war es ihm unmöglich, aufrecht zu stehen.
    Gut, dachte sie. Hoffentlich tut es richtig weh. Sie hätte gern laut gelacht, aber dazu fehlte ihr der Atem.
    Dafür sah sie trotzig zu ihm auf. Wenn er sie jetzt umbrachte, wollte sie ihm dabei ins Gesicht sehen. Er sollte den Anblick ihrer trotzigen Miene mit ins Grab nehmen und in der Hölle für alle Zeiten vor Augen haben.
    Er sah aus, als läge ihm etwas auf der Zunge, aber dann ging er ohne ein weiteres Wort zur Tür und zog sie auf. Sekunden später war er mit einem Arm voller Feuerholz zurück, das er auf dem Kaminrand ablegte. Er ging auf die Knie und stocherte in den Kohlen, um die Scheite auf dem Rost zum Brennen zu bringen.
    Das verblüffte sie. »Du bringst… mich… nicht um?«
    »Nein«, antwortete er barsch und stand auf. Er deutete auf die Scheite, die er gerade ins Haus gebracht hatte. »Lass sie trocknen und tu sie dann ins Feuer. Die sollten für ein paar Stunden reichen.«
    Erst da wurde ihr klar, was er vorhatte. Er brauchte sie nicht umzubringen. Er brauchte sie nur allein zu lassen, in den Klauen einer tödlichen Asthmaattacke, und das Problem der lästigen Lilly Martin hätte sich von selbst erledigt. Wieso sich einen weiteren Mord aufhalsen, wenn er das gar nicht nötig hatte?
    Gleichzeitig war er geistesgegenwärtig genug, alle Beweise aus dem Schlafzimmer zu holen, um seine bereits begangenen Verbrechen zu vertuschen. Er steckte die Handschellen und das blaue Band in den Rucksack. Er sah sie nicht an, als er beides in verschiedenen Seitenfächern verstaute. Hatte er etwa ein schlechtes Gewissen?
    Denn dadurch, dass er sie nicht tötete, verurteilte er sie zu dem, was sie am meisten fürchtete. Während sie mit sich gerungen hatte, ob sie ihn losbinden sollte oder nicht, hatte sie kein einziges Mal die Möglichkeit bedacht, dass er sie allein lassen könnte, womit sie ihren schlimmsten Albtraum durchleben musste, ehe sie ihm erlag. Ihr Herz zog sich zusammen. »Du hast versprochen…«
    »Ich weiß, was ich versprochen habe«, schnitt er ihr barsch das Wort ab.
    Er zog den Mantel über und drückte behutsam die Mütze auf seinen Kopf. Dann legte er die Picknickdecke über die Mütze und faltete die Zipfel vor der Brust zusammen, bevor er den Reißverschluss seines Mantels zuzog. Nachdem er den Wollschal um den Hals und über Mund und Nase geschlungen hatte, schob er die Finger in die Handschuhe. Zuletzt hob er den Rucksack auf und hängte ihn über die Schulter. Bei jeder Bewegung verzog er gepeinigt das Gesicht und keuchte vor Schmerz. Trotzdem machte er sich schnell und zielstrebig bereit.
    Als er auf dem Weg zur Tür war, fühlte sie den Drang, ihn zurückzurufen und ihn anzubetteln, dass er sie gleich erschießen möge. Es wäre ein schneller und relativ schmerzloser Tod verglichen mit dem langen, grauenvollen Sterben, das sie erwartete. Sie hatte mehr Angst vor der Angst und der Qual des Sterbens als vor dem Tod selbst.
    Aber sie war zu stolz, um ihn um etwas zu bitten, und ihr Überlebensinstinkt verbot es ihr, freiwillig aus dem Leben zu gehen. Darum schaute sie schweigend zu, wie er davonging und sie zurückließ, dazu verdammt, um jeden Atemzug zu kämpfen, bis sie nicht mehr kämpfen konnte und ganz allein sterben würde.
    Als er an der Tür stand, blieb er kurz stehen, eine Hand auf dem Türknauf, und drehte sich noch einmal zu ihr um. Über dem Schal verband sich sein Blick mit ihrem, aber nur für einen winzigen Augenblick.
    Er öffnete die Tür. Ein Schneewirbel umtanzte ihn. Dann verschwand der Schnee und er mit ihm.
    Lillys Handy läutete zweimal, ehe die Verbindung abriss, was für Dutch noch quälender war, als wenn das Handy überhaupt nicht geklingelt hätte. Die unterbrochene Verbindung verstärkte die Frustrationen, unter denen er jetzt schon zu zerbrechen drohte.
    Der Vorraum im Polizeirevier war so überfüllt wie noch nie, seit er zum Chief ernannt worden war. Die Typen vom FBI waren hier. Agent Wise machte mit tiefernster Miene - wusste der Typ überhaupt, wie man lächelt - Millicents Eltern mit Begley bekannt. Mrs Gunn sah heute noch abgezehrter aus als gestern.
    Wes war aus unerfindlichen Gründen schon hier gewesen, als sie

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