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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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einzukaufen. Du hast ja überhaupt nichts im Haus.«
    Sie beißt in ein Croissant mit Butter und roter Marmelade. Ja, sie hat sogar Butter besorgt.
    Ich gehe ins Schlafzimmer, um mir frische Klamotten anzuziehen. Das Bett ist tipptopp gemacht, so sieht das bei mir nie aus. Sie hat die Decke strammgezogen und einen Knick ins Kopfkissen gehauen. Ich darf nicht zu lange draufschauen, sonst werde ich verrückt. Ich nehme mir Unterwäsche, ein T-Shirt, einen Pulli, Strümpfe und eine frische Jeans aus dem Schrank, gehe ins Bad und schließe ab.
    Ich frage mich, wie lange sie eigentlich bleiben will.
    *
    Die Kollegen an der Lerchenstraße sind offenbar nicht mehr sauer auf mich. Sie lächeln mich sogar an, als ich reinkomme. Vielleicht sind sie jetzt doch ein bisschen froh, wenn ihnen jemand Arbeit abnimmt. Sie sagen, dass ja wohl keiner was dagegen tun kann, wenn die Staatsanwältin ermitteln will.
    »Nicht mal die Staatsanwältin«, sage ich.
    »Nicht mal der Weihnachtsmann«, sagt einer der Herren Hauptkommissare und gibt dem traurigen kleinen Tannenbaum auf dem Tresen einen Klaps. Und pling, fangen die zarten Glühbirnen der Lichterkette an zu leuchten.
    »Wackelkontakt«, sagt er.
    Wir lachen uns einen, und in genau dem Moment kommt eine Frau rein, der wir alle ansehen können, dass sie sich letzte Nacht die Augen ausgeheult hat.
    »Mein Sohn«, sagt sie. »Mein Sohn ist weg.«
    Sofort ist eine Beamtin bei ihr. Die Frau hat eine überdimensionierte, cognacfarbene Handtasche dabei. Und ein Mädchen, das ist vielleicht fünfzehn. Sieht aus wie ihre Mutter. Beide sind zierlich, man sieht, dass da auf Figur geachtet wird. Beide haben spitze Nasen und blonde, halblange Haare, die wahrscheinlich täglich ein Glätteisen sehen. Beide erinnern mich stark an Heidi Klum, obwohl weder die eine noch die andere das passende Alter hat. Und sie tragen diese schweineteuren, dunkelblauen Daunenparkas mit Koyotenfell an der Kapuze, die man eigentlich eher in Eppendorf spazieren führt als auf Sankt Pauli. Aber ich sehe solche Jacken in letzter Zeit öfter hier.
    »Seit wann ist Ihr Sohn weg?«, fragt die Beamtin.
    »Seit gestern«, sagt die Frau. »Er ist nach dem Kaffee noch mal raus und wollte am Abend zurück sein. Wir wollten ja zusammen Weihnachten feiern. Mein Mann hat die ganze Zeit gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen, Jungs würden manchmal ihren Kopf verlegen, der würde schon wiederkommen. Als er dann heute Morgen nicht in seinem Bett lag, haben wir einen Riesenschreck bekommen.«
    Die Frau zittert, und in ihren Augen schwimmen Tränen. Ihre Tochter kaut abwechselnd ihren Kaugummi und ihre Unterlippe und trippelt von einem Fuß auf den anderen.
    »Jetzt steh doch mal bitte still, Larissa. Du machst mich ganz nervös …!«
    Larissa hört kurz auf zu trippeln, dann fängt sie wieder an. Und wenn sie nicht aufpasst, hat sie ihre Unterlippe gleich durch.
    »Ist Ihr Sohn öfter mal über Nacht weg, ohne sich abzumelden?«, fragt die Beamtin.
    Die Frau schüttelt den Kopf.
    »Nie«, sagt sie. »Er kommt immer nach Hause.«
    »Hat sich Ihr Sohn vielleicht bei irgendjemandem gemeldet? Haben Sie eine Idee, wo er sein könnte?«
    »Meine Freundin«, sagt die Frau, »hat einen Schuhladen im Karolinenviertel. Die hat ihn gesehen, als sie gegen fünf noch mal kurz da war, weil sie was vergessen hatte.«
    Die Frau holt ein Taschentuch aus ihrer dicken Tasche und tupft sich die Augen. Larissa ist bei dem Wort Karolinenviertel ein bisschen zusammengezuckt. Die Information war ihr wohl neu. Und sie fand sie auf irgendeine Art interessant.
    »Gab’s in den letzten Wochen Streit oder Probleme?«
    Die Beamtin hakt den Fragenkatalog ab. »Wo treibt sich Ihr Sohn denn üblicherweise so rum?«
    Die aufgelöste Mutter schüttelt den Kopf und zuckt mit den Schultern und schüttelt wieder den Kopf, und es ist schnell klar, dass sie keinen Schimmer hat, was ihr Junge eigentlich den ganzen Tag macht.
    Ich behalte Larissa im Auge. Irgendwas stimmt mit der nicht. Sie wirkt, als hätte sie was intus, Speed oder Koks oder irgendwelche Pillen. Fehlt nur noch, dass sie anfängt, sich unkontrolliert zu kratzen.
    »Hat sich Ihr Sohn in letzter Zeit irgendwie verändert? Ist Ihnen was aufgefallen?«
    »Er hat seit ein paar Monaten eine Freundin, mit der wir nicht einverstanden sind«, sagt die Frau und hält sich ihr Taschentuch unter die Nase. »Aber es war nicht so, dass es deswegen aktuell Ärger gab.«
    »Was stört Sie denn an der Freundin Ihres

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