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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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hat damit gerechnet, dass jemand kommt. Oder sie haben sie angerufen. Die Tür ist auf, bevor ich klingeln kann.
    »Bitte«, sagt sie und lässt mich rein. »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    Ohne ihren Daunenmantel wirkt sie noch zierlicher. Und sie hat weiter geweint. Die hat in diesem Jahr auch ein Scheißweihnachten, so viel ist sicher.
    »Nein danke«, sage ich. »Darf ich mir das Zimmer Ihres Sohnes mal ansehen?«
    Sie nickt und führt mich eine Treppe hoch, die vor dem Eingang zur eigentlichen Wohnung ins obere Stockwerk führt. Sie trägt diese Hollywoodjeans für siebenhundert Euro und gelackte Ballerinas.
    Oben wartet eine Mischung aus erstem Stock und ausgebautem Dachgeschoss. So wohnen halberwachsene Bildungsbürger oder ausgewachsene Büros. Das Parkett glänzt ohne jeden Kratzer. In der Mitte des quadratischen Flurs liegt ein hellgrauer Teppich, gleiche Farbe wie die Badezimmerfliesen. Die Tür zum eigenen Bad der Kinder steht offen. Picobello entworfener kleiner Beautytempel, mit blitzender Wanne, goldenen Armaturen und großem Veluxfenster. Auf dem Boden liegt ein flauschiges weißes Handtuch, mit ein paar rosa und schwarzen Flecken, ich tippe auf Lippenstift und Mascara und Larissa.
    »Entschuldigen Sie«, sagt Larissas Mutter. Sie schlüpft kurz ins Bad und hängt das Handtuch über den Handtuchhalter. Dann macht sie die rechte von den beiden Zimmertüren auf.
    »Das hier ist Yannicks Zimmer.«
    In der einen Ecke, links unterm Fenster, steht ein Futon. Weiße Bettwäsche. In der anderen Ecke, rechts neben dem Fenster, ein Schreibtisch mit einem silbernen Laptop drauf. Davor ein blauer Schreibtischstuhl, über der Lehne hängt ein dunkelblauer Kapuzenpulli. Neben dem Schreibtisch steht ein alter brauner Ledersessel, da ist eine Jeans drauf geworfen worden. Die beiden Wände in meinem Rücken sind mit Regalen zugestellt. Ein halbes Regal für Bücher, der Rest für CDs, DVDs und Computerspiele. Auf dem Parkett liegt kein Teppich, an der Wand über dem Bett hängt ein Poster von Megan Fox.
    Ich gehe zum Schreibtisch und sehe aus dem Fenster. Bäume. Schnee. Wohlers Park.
    Auf der Fensterbank steht eine Box mit Computerspielen. Metal Gear Solid, Teile eins bis vier.
    Ich nehme die Box in die Hand und hole eine der DVDs raus. Vorne drauf ist eine Zeichnung von einem muskulösen Typ in grünen Kampflumpen. Er hat ein Tuch um die Stirn gebunden, hält eine ziemlich ausgebuffte Schusswaffe hoch, kuckt gnadenlos und zielt. Der Typ erinnert mich an irgendwen, aber Rambo ist es nicht.
    Ich sehe Liliane von Heesen an.
    »Kennen Sie das?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Nein«, sagt sie, »beim besten Willen nicht. Aber das Zeug, das nicht im Regal steht, ist meistens das, was am häufigsten gespielt wird.«
    »Mit wem spielt er das?«, frage ich.
    »Allein.«
    Ich sortiere die DVD wieder ein und stelle die Box zurück auf die Fensterbank.
    »Möchten Sie Larissas Zimmer auch sehen?«, fragt sie.
    »Wo ist denn Ihre Tochter?«
    »Keine Ahnung«, sagt sie. »Die ist vor einer halben Stunde raus. Trifft sich wahrscheinlich mit einer Freundin.«
    »Wissen Sie, mit wem?«
    »Nein«, sagt sie. »Unsere Kinder genießen große Freiheiten und unser volles Vertrauen.«
    »Ich würde das Zimmer gerne sehen«, sage ich.
    Liliane von Heesen geht Richtung Flur.
    »Kommen Sie, bitte.«
    Ich stapfe vorsichtig über den hellgrauen Teppich und stelle fest, dass meine Stiefel Straßenspuren hinterlassen. Ich hätte vielleicht um ein Paar Ballerinas bitten sollen.
    Die Tür zu Larissas Zimmer ist nur angelehnt. Ich bleibe im Türrahmen stehen. Larissas Bett ist eine verschnörkelte, weiße Eisengerätschaft. Mädchen stellen sich ja gerne mal vor, wie sie sich an den zierlichen Gitterstäben festhalten, während ihnen ein heißer Typ in den Hals beißt. Ich weiß das, ich hab mir das auch mal vorgestellt. Ist aber schon verdammt lange her. Ansonsten sieht die Bude aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, irgendwo unter all den BHs, Socken, Hosen, Pullis und Haargummis am Fenster muss sich ein Schreibtisch befinden. Links neben dem Berg steht ein weißes Regal. Kaum Bücher drin. Mehr so Schickschnack. Ein Kerzenständer. Ein alter Teddy. Ein paar bunte Kisten.
    Larissas Zimmer ist ein ordentliches Stück kleiner als das von Yannick. Dafür ist das Fenster eine Balkontür, und der Balkon dahinter ist schon eher eine Terrasse. Ich lasse meinen Blick noch mal durchs Zimmer gleiten. Hier gibt’s nichts Wichtiges für mich.
    »Ich danke

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