Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
Spur von Yannick und Angel. Das gibt’s doch gar nicht. Die kleinen Arschlöcher können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.«
Wir sehen uns an. Ich versuche, nicht an gestern Abend zu denken. Ich frage mich, was wir jetzt sind, der Inceman und ich. Ich weiß überhaupt nichts.
Ihm scheint es da besserzugehen. Er scheint ziemlich genau zu wissen, was los ist: wir zwei nämlich. Hm.
Ich muss an Klatsche denken und sehe zum Fenster. Es hat wieder angefangen zu schneien. Heftig und von der Seite.
»Und ich will den Tschauner dabeihaben«, sagt er.
»Okay«, sage ich. »Ruf ihn an. Der freut sich.«
Er greift zum Telefon. Tschauner her, die restlichen drei Bandenmitglieder auch, und zwar dalli. Vielleicht ist es diese Entschlossenheit, dieses kompromisslose Jetztaberzack, was ich am Inceman so aufregend finde. Und was mich gleichzeitig total verunsichert.
»Los«, sagt er, als er aufgelegt hat, »wir suchen uns schon mal fünf schöne Zimmerchen für die Herrschaften.«
*
Larissa presst die Lippen aufeinander. Ich glaube nicht, dass wir aus der noch was rauskriegen. Die muss was wiedergutmachen. Hat ja ihre Freunde verpfiffen. Das war nicht so toll von ihr. Und jetzt tut sie so, als wäre sie Jeanne d’Arc. Kuckt gefasst zur Zimmerdecke, bisschen nasse Augen, versucht, nicht zu sehr mit den Füßen zu zappeln. Dafür muss ihre Unterlippe wieder dran glauben.
»Also«, sagt der Inceman und setzt sich zu ihr auf die Tischkante, »jetzt sag schon, Larissa.«
»Ist gar nicht so schwer«, sagt der Tschauner. Er steht hinter ihr und hat die Arme vorm Oberkörper verschränkt. »Erzähl uns einfach, was genau ihr gemacht habt.«
»Und schon lässt der Druck auf dem Herzen erstaunlich nach«, sagt der Inceman.
Unterlippe. Sonst nichts.
»Wir wissen doch sowieso Bescheid«, sagt der Tschauner. »Ihr sollt uns nur sagen, wie ihr die Männer in den Bunker gekriegt habt. Und wer deinen Bruder und seine Freundin geschnappt haben könnte.«
Außerdem will ich wissen, warum ihr das gemacht habt, ihr kleinen Nattern. Ich sitze auf der Fensterbank. Larissa soll mich sehen. Der Inceman glaubt, dass sie nur genügend Druck braucht, dann redet sie schon. Ich glaube das nicht. Ich glaube, von Larissa hören wir nichts mehr.
Sie kuckt von der Zimmerdecke weg und dem Inceman in die Augen. Sie hört auf, ihre Unterlippe zu bearbeiten. Sie wirkt plötzlich ganz ruhig. Hinter ihren Pupillen ist Beton angerührt.
*
Katinka Ilicevic weint. Weint und weint und weint. Ich weiß nicht genau, wen sie beweint. Die Männer, die sie und ihre Freunde gequält haben, oder sich selbst. Ich glaube, da ist sie sich auch nicht so sicher. Und sie weint vor allem, um meine beiden Kollegen aufzuweichen. Aber die sind hart wie die Bunkerwände und rücken keinen Millimeter von ihrer Spur ab.
»Sag uns, was ihr gemacht habt«, sagt der böse Türke.
»Im Knast ist’s kalt ohne Decke«, sagt der böse Tschauner. »Und Decken kriegt nur, wer den Mund aufmacht.«
»Ich frag mich ja, ob deine Freundin Angel ’ne Decke hat«, sagt der böse Türke.
»Ich frag mich eher, ob sie noch lebt«, sagt der böse Tschauner.
Arschkrampen, die beiden.
Aber ihre internationale Härte bringt nichts. Katinka hat keine Kraft mehr zu reden. Sie hat alles rausgeweint.
*
Leander Jansen packt schneller aus, als der Tschauner und der Inceman Fragen stellen können. Er scheint schwer beeindruckt davon zu sein, dass er auf dem Polizeipräsidium in einem Vernehmungsraum sitzt.
»Yannick hat das Zeug besorgt«, sagt er. »Er hatte einen Typen auf dem Kiez, der das eimerweise vertickt.«
»Was vertickt? Welches Zeug?«, fragt der Tschauner.
»Liquid Ecstasy«, sagt Leander. »K.-o.-Tropfen.«
Aha. So ist das also gelaufen. Es hört sich so einfach an. War es wahrscheinlich auch. K.-o.-Tropfen. So ein Dreck. Und so leicht zu haben.
»Und dann?«, fragt der Inceman.
»Hat Yannick das in Ginflaschen gekippt, und dann hat er den Penner ausgesucht und es dem Penner zu trinken gegeben. Wenn der dann hinüber war, haben wir ihn in das Rad von Yannicks Ma geschafft.«
»In was für ein Rad kann man denn einen ausgewachsenen Mann schaffen?«, fragt der Inceman.
»Na, das ist so’n Ding mit so ’ner Kiste vorne dran«, sagt Leander. »Da kann man Kinder und Bierkisten mit rumfahren. Da gehen die Penner locker rein. Muss man nur’n bisschen zusammenfalten.«
Mir wird ganz schwummerig, wenn ich ihm so zuhöre. Der Tschauner wirft dem Inceman einen Blick zu und
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