Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
verlässt das Zimmer. Vermutlich schickt der jetzt gleich zwei Kollegen los. Die sollen das Transportrad von Liliane von Heesen holen.
»Und dann?«
Der Inceman nimmt sich einen Stuhl, dreht die Lehne nach vorne und setzt sich Leander gegenüber. Der redet wie ein Wasserfall. Immer wieder verrückt, wenn so was passiert. Wenn einer einfach auspackt.
»Dann haben wir den Penner in den Bunker gefahren, zum Büro von Yannicks Eltern, und dann hat Yannick den am Haken festgebunden, und wir haben angefangen.«
»Womit angefangen?«
So langsam wird mir richtig schlecht.
»Sandsack halt«, sagt er. »Man kann da draufhauen wie auf einen Sandsack. Bis alles raus ist. Die Typen sind doch eh fertig mit der Welt. Die sind doch eh durch. Die merken das doch gar nicht mehr.«
»Aha«, sagt der Inceman. »Aber ihr habt schon gemerkt, dass das Menschen sind, oder?«
»Yannick hat die Penner dann zurück ins Karoviertel geschafft«, sagt Leander, als wäre das, was der Inceman gerade gesagt hat, gar nicht bei ihm angekommen. »Der hat die da wieder ausgekippt und das Rad von seiner Ma zurückgebracht.«
»Yannicks Mutter hat das nie gemerkt, dass ihr ständig mit ihrem Rad unterwegs wart?«, frage ich.
»Die hat das kaum noch benutzt, seit Yannick und Larissa groß sind«, sagt Leander. »Und Yannick hat es immer ordentlich wieder abgeschlossen, das war das Wichtigste.«
Das war also das Wichtigste. Dass Yannick das Rad wieder ordentlich abgeschlossen hat. Überhaupt scheint das alles nur von Yannick ausgegangen zu sein. Yannick hier, Yannick da. Ein bisschen viel Yannick, finde ich.
»Und du so?«, frage ich, und der Inceman kuckt mich an, und er weiß genau, was ich meine.
»Ich?«, fragt Leander. »Nichts, wieso?«
Mein Gott, der Junge hat ja echt ein Loch im Kopf.
»Welcher der Obdachlosen war denn stark genug?«, fragt der Inceman. »Wer von denen könnte denn in der Lage sein, sich an euch zu rächen?«
»Boah, keine Ahnung. Da müsst ihr echt Yannick fragen.«
*
Benjamin Westermann hält sich an die Vorgaben seiner Eltern: Warte, bis der Anwalt da ist. Vorher sagst du gar nichts. Muss er aber auch nicht mehr. Hat sein Kumpel Leander ja schon erledigt.
»Hast du keine Angst, dass Yannick und Angel was passiert?«, frage ich ihn.
Er zuckt mit den Schultern und spielt mit seiner Baseballkappe.
»Weißt du, dass einer von den Männern, die ihr verprügelt habt, gestorben ist?«
Er zuckt wieder mit den Schultern. Er kuckt mich an und fährt sich mit der Zunge über die oberen Schneidezähne.
»Snake Plissken, hm?«, sage ich.
Er kuckt zum Fenster raus.
»Findest du den auch so toll, Benjamin?«
Er grinst.
»Snake Plissken ist ein riesengroßer Scheißdreck«, sage ich.
Er kuckt mich an, er wird wieder ernst, er sieht für einen kurzen Moment so aus, als wolle er mir an die Gurgel springen.
Dann wartet er ganz in Ruhe weiter auf den Anwalt, den seine Eltern mit Blaulicht hierherbeordert haben.
*
»Interessiert doch eh keinen«, sagt Patric Kober und schiebt sein Kinn nach vorne. »Interessiert doch niemanden, was einer wie ich macht. Oder warum ich irgendwas mache.«
Er hängt auf seinem Stuhl. Seine Fäuste stecken in den Taschen seines Kapuzenpullis. Sie bearbeiten den Baumwollstoff von innen.
Der Inceman sitzt ihm gegenüber, der Tschauner lehnt an der Wand, ich sitze auf einem Hocker in der Ecke. Wir haben schnell gemerkt, dass wir Patric Kober lieber nichts fragen sollten. Den sollten wir einfach reden lassen. Da kommt schon ein bisschen was.
»Meine Schwester ist alles, was mir wichtig ist, kapiert ihr das? Für meine Schwester würd ich sterben, ey. Ihr müsst sie finden. Und dann müsst ihr die Sau einbuchten, die Angel entführt hat. Sonst mach ich euch fertig.«
Ach so.
»Ist das denn überhaupt sicher, dass Yannick und Angel entführt worden sind?«, fragt der Inceman zum Tschauner gewandt.
»Nö«, sagt der Tschauner, »sicher ist das nicht. Die könnten auch mit dem erstbesten Zug nach werweißwo abgehauen sein.«
»Angel haut nicht ab«, sagt Patric, und seine Fäuste drücken von innen an die Taschen seines Pullovers, als wollten sie ihn sprengen. »Ohne mich haut die nicht ab. Und schon gar nicht mit dem reichen Schnürsenkel.«
»Woher kennt ihr euch eigentlich alle?«, fragt der Inceman.
»Angel und der Schnürsenkel gehen auf die gleiche Schule«, sagt Patric.
»Du meinst Yannick von Heesen«, sagt der Tschauner.
Patric Kober nickt.
»Wieso nennst du ihn
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