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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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endlose, dunkle Feuchtigkeit, über ihnen rutschte der Mann mit dem Mantel durch den Einstieg. Dann stand er hinter ihnen, mit der Pistole in seiner Hand. Der Kanaldeckel wurde von außen wieder zugeschoben, sie hörten noch einmal, zweimal, dreimal ein röcheliges Stöhnen und Schnauben, dann hörten sie nichts mehr.
    Hier waren sie jetzt also. Yannick und Angel und der Mann mit dem Mantel, den alle nur »den Wolfsmann« nannten. Die drei waren alleine. Alleine mit der Angst, die die Vierte im Bunde war.
    Auch der Wolfsmann spürte sie. Plötzlich wurde ihm das hier zu groß, was wollte er eigentlich von der Brut. Für eine Sekunde dachte er daran, nach seinen Kollegen zu rufen, aber dann ließ er es doch. Er vertrieb die Angst aus seinem Nacken, so wie er es sein halbes Leben lang schon machte, und schob sie zu den beiden jungen Leuten rüber. Die hatten von seinem Manöver nichts mitgekriegt. Er konnte erkennen, wie ihre Umrisse zitterten. Seine Augen waren gut in der Dunkelheit.
    »Vorwärts«, sagte er.
    Yannick und Angel setzten sich in Bewegung. Langsam, vorsichtig, einen Fuß vor den anderen. Die Feuchtigkeit im Tunnel war gefroren, sie tasteten sich durch eine geeiste Röhre.
    »Da runter«, sagte der Wolfsmann.
    »Wo runter?« Yannick versuchte immer noch, seine Stimme gefährlich klingen zu lassen. Es gelang ihm nicht. Seine Stimme klang jämmerlich. Wie ein Milchbrötchen.
    »Na, da«, sagte der Wolfsmann und machte eine Taschenlampe an. Er war sonst nie in Begleitung hier unterwegs, es verunsicherte ihn, dass die beiden sich nicht zurechtfanden. Er leuchtete mit der Taschenlampe auf die rechte Wand der Röhre. Da war ein Loch. Davor ging es zwei Stufen hoch, dahinter eine Treppe hinunter.
    »Los, runter da«, sagte der Wolfsmann.
    Angel ging als Erste, die Kälte gab ihr die Kraft dazu. Die Kälte machte alles egal und möglich. Yannick ging ihr nach. Wenigstens das Mädchen beschützen, wenigstens das. Snake. Von wegen.
    Der Wolfsmann ging als Letzter, der Schein seiner Taschenlampe reichte weit nach vorne. Angel konnte sehen, dass es eine lange Treppe war. Bestimmt zwanzig Stufen, schnurgerade nach unten. Am Ende waren sie wieder in einem Tunnel. Aber dieser Tunnel war trocken. Und alt. Das konnte Angel spüren. Sie hatte keine Ahnung von Gebäuden oder Geschichte, aber wenn man einem Bauwerk das Alter anmerkt, wenn man all die Seelen spürte, die jemals in ihm waren, dann musste es sehr alt sein, das wusste sie. Der Tunnel war aus hellem Stein gehauen, und er war angenehm hoch. In der Kanalisationsröhre hatten sie den Kopf einziehen müssen. Hier nicht. Hier konnte man aufrecht stehen, und es war noch Luft nach oben. Angel spürte, wie die Kälte aus ihren Gedanken wich. Wie die Angst einen kleinen Teil von ihr freigab. Vielleicht wollte der Wolfsmann sie ja gar nicht umbringen. Sie sah sich zu Yannick um. Er wirkte plötzlich viel jünger als sonst. Seine Schultern waren so schmal.

    Der Wolfsmann verriegelte die Eisentür. Den Riegel sicherte er mit einem dicken Vorhängeschloss, dann machte er die Taschenlampe aus und drehte an einem altmodischen Lichtschalter. Ein paar Glühbirnen, die desorientiert von der Decke baumelten, gingen an und tauchten den Raum in graugelbes Licht.
    »So«, sagte der Wolfsmann, »da wären wir.«
    Es klang ein bisschen, als wollte er ihnen etwas Aufregendes zeigen. Und Angel fand den Ort auch gar nicht mal so schlecht. Ein Gewölbe mit bestimmt drei Meter hohen Decken. Die Decke war in ein Dutzend kleine, geschwungene Kuppeln unterteilt, von Säulen getragen. Wie eine Kirche war das gebaut. Aus dem gleichen hellen Stein wie der Tunnel, durch den sie gekommen waren.
    Im Grunde war es überall besser als zu Hause.
    »Wo sind wir?«, fragte Angel.
    Der Wolfsmann brummte und zeigte auf eine Matratze, die in der Mitte des Gewölbes an einer Säule lehnte. Er fuchtelte ein bisschen mit seiner Pistole.
    »Ihr könnt euch da draufsetzen«, sagte er.
    Yannick rührte sich nicht. Er war kurz davor loszuheulen, aber er riss sich zusammen wie noch nie in seinem Leben. Und er hoffte inständig, dass weder seine Freundin noch der Penner es bemerken würden. Angel nahm ihn an der Hand und zog ihn zu der Matratze. Sie kippte die Matratze auf den Boden, ignorierte die Flecken und setzte sich drauf. Sie klopfte mit der Hand ganz sachte auf den freien Platz neben sich und sagte zu Yannick:
    »Na, komm schon.«
    Als Yannick sich hinsetzte, fühlte sich das an, als würde er

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