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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Kiezgeschäften zurück, konzentrierte sich verstärkt auf Immobilien außerhalb von Sankt Pauli. Er ließ auch die mal wieder machen, die er jahrelang unterdrückt hatte. Aber dann wurde es ihm doch irgendwann zu blöd. Er wollte sich nicht komplett rausdrängen lassen. Der Faller und sein revoltierender Mob gingen ihm gehörig auf den Sack. Und er registrierte, dass der Faller für einen Polizisten ein großes Stück zu tief drinsteckte im Kiez.
    Er trat ihn noch ein Stück tiefer rein, und dann schmiss er ihn raus.
    *
    Der Calabretta war der erste Ermittler, der mit der Idee vom V-Mann kam. Als er das Anfang des Jahres beantragte, stieß er damit bei meinen Chefs nicht auf große Gegenliebe. Es war sutsche geworden um den Albaner, er störte nicht mehr groß, und seine Geschäftsbeziehungen in die oberen Etagen der Stadt waren vielfältig. Aber der Calabretta ließ nicht locker. Der Gedanke, den Faller zu rächen, hatte sich über die Jahre in seinem Körper festgefressen. Er wollte, dass der Albaner bezahlte für das, was er seinem Ziehvater angetan hat. Er nervte die Oberstaatsanwälte so lange, er ging ihnen so dermaßen auf die Nerven, dass die Aktion im Frühjahr genehmigt wurde.
    Der V-Mann hatte eigentlich noch vor Silvester die neuen Beweise gegen den Albaner liefern wollen. Er hatte dem Calabretta zu verstehen gegeben, dass er was in der Hand hat. Was richtig Großes.
    Er wird es mit ins Grab nehmen.
    *
    Der Faller hat sich erkältet. Er schnieft und hustet und macht die allerfeinsten Altmännergeräusche. Vielleicht doch nicht so der goldene Job, den ganzen Tag durch die Gegend zu stromern, bei Wind und bei Wetter und überhaupt. Vielleicht kommt die Erkältung aber auch daher, dass das Leben die Schwingungen im Hintergrund spürt. Vielleicht ist der Faller angeschlagen, weil der Albaner wieder mal schneller war.
    »Vielleicht sollten Sie ein paar Tage zu Hause bleiben«, sage ich. »Sie müssen nicht unbedingt so tun, als wären Sie erst dreißig.«
    »Geht nicht«, sagt er. »Ich kann doch nicht so einen Job übernehmen und gleich wieder einknicken. Die Gastronomen fangen gerade erst an, sich an mich zu gewöhnen. Das ist wichtig, dass ich jetzt Präsenz zeige. Stichwort Nachhaltigkeit, Chastity.«
    Er stellt seinen Mantelkragen hoch und zieht seinen Hut tiefer ins Gesicht.
    »Sie bräuchten solche Ohrenklappen an Ihrem Hut«, sage ich.
    »Ohrenklappen«, ätzt der Faller, »so weit kommt’s noch. Und was sind Sie denn bitte schön neuerdings so mütterlich? Hab ich da was nicht mitgekriegt?«
    »Ich werde eben auch älter, Faller. Und vernünftiger. So ist das nämlich.«
    Ich bringe es nicht übers Herz, ihm die Geschichte mit dem V-Mann zu stecken. Bin mir noch gar nicht sicher, ob ich das überhaupt tun sollte. Hat er doch auch nichts von. Ob er das jetzt weiß oder nicht.
    Ich rücke meine Mütze zurecht und zünde mir eine Zigarette an. Wir spazieren die Feldstraße entlang. Wir haben uns an der Messe getroffen und arbeiten uns jetzt ins Schanzenviertel vor, nach der Nummer mit dem Dachboden war mir einfach nach einem Spaziergang.
    »Schanzenviertel ist noch’n bisschen schwierig für mich«, hat der Faller gesagt. »Die tragen alle die Nase so hoch. Gepudertes Szenevolk. Da könnte ich ein bisschen Unterstützung gebrauchen.«
    Der Wind kommt von hinten und treibt den Schnee vor sich her. Die Welt ist weiß. Weiß und kurz vor Silvester. Das neue Jahr wartet schon darauf, vom Himmel zu fallen. Die Kinder haben die Weihnachtsglöckchen abgelegt und tragen jetzt Konfetti mit Luftschlangen.
    »Warten Sie mal«, sage ich und bleibe stehen.
    »Was ist denn?«
    Der Wolfsmensch ist weg.
    »Der Wolfsmensch ist weg«, sage ich.
    »Was für ein Wolfsmensch?«, fragt der Faller.
    »Dieser Mann, der tagein, tagaus an dem Passfoto-Automaten da drüben steht und die U-Bahn-Station beobachtet«, sage ich. »Der steht wirklich immer da, immer. Und jetzt ist er weg.«
    »Seit wann ist er weg?«
    »Keine Ahnung. Ich war vor fünf Tagen zum letzten Mal hier.«
    »Und?«
    »Da muss was passiert sein«, sage ich, »Was Wichtiges. Der geht da nicht einfach so weg.«
    »Was glauben Sie, Chas?«
    »Weiß ich nicht. Kommen Sie, Faller, wir müssen mit ein paar zerlumpten Männern reden. Ich will wissen, seit wann der Wolfsmensch weg ist. Und ob er irgendwo ein Versteck hat.«
    Sehr gut.
    Etwas in mir ist aus der Weihnachtsstarre erwacht.
    Wir haben zu tun.
    Und ich muss nicht mehr darauf rumkauen, ob ich dem Faller

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