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Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Eisnattern: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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von dem armen V-Mann erzähle und der ganzen Scheiße, die da schon wieder abgelaufen ist. Dafür haben wir gerade überhaupt keine Zeit. Das verschieben wir einfach auf ein anderes Mal.
    Der Faller schnieft und hustet, als wir über die vierspurige Straße laufen. Er sieht müde aus und alt und irgendwie aufgegessen. Das Leben spürt die Schwingungen im Hintergrund.

Achtung:
    Wer böse war, kommt in den Keller
    Y annick bekam einen Anruf von Angel, um kurz nach halb vier. Im Hintergrund war großes Geschrei, wie immer. Die Mutter gegen den Vater, der Vater gegen Patric, Patric gegen die Kleinen, die Kleinen gegen Angel, Angel gegen sich selbst, alle gegen alle. Dann plötzlich Ruhe. Angel war rausgegangen, hatte die Tür hinter sich zugeworfen wie den Deckel eines Mülleimers. Weg, nur weg damit.
    »Kommst du?«, fragte sie, ihre Stimme klang bröckelig, und Yannick war sich nicht sicher, ob sie diesmal vielleicht geweint hatte, ob sie es diesmal vielleicht nicht mehr ausgehalten hat.
    »Ich bin gleich da«, sagte er.
    Sie ging ihm dann entgegen, sie trafen sich in der Thadenstraße an der Ecke zum Park, so wie sie es immer machten, so wie es immer lief. Yannick nahm Angel in den Arm und sagte: »Scheiß doch auf die Alten.«
    Dann liefen sie los, Hand in Hand. Die Thadenstraße runter, über den Pferdemarkt, die Feldstraße entlang. Das Weihnachtsglitzern und Lichtergedöns in den Fenstern nahmen sie nicht wahr, und hätten sie es wahrgenommen, es wäre ihnen egal gewesen. Auf Höhe der U-Bahn-Station überquerten sie die Straße, kein Auto weit und breit, da lief ihnen auch nur wieder Weihnachten über den Weg, und auch da war es wieder egal. Weihnachten bedeutete nichts, so wie alles nichts bedeutete.
    Nur Yannick und Angel, das bedeutete was.
    Sie liefen über den Platz beim alten Schlachthof, und Yannick lächelte. Das war sein Viertel hier. Er regierte es. Kontrollierte die Nutten und das Koks, dachte er manchmal bei sich, haha, gab hier ja gar keine Nutten. Egal. Er war der Chef. Dass das außer ihm und seinen Freunden niemand wusste, war genau richtig. Er wollte nicht berühmt sein. Er wollte nur machen, wozu er Lust hatte. So wie Snake.
    Sie schlenderten die Marktstraße entlang, immer noch Hand in Hand, für immer einander versprochen. Sie kickten die Schneehäufchen vom Gehsteig, sie genossen ihr Reich.
    »Hey, Yannick«, rief die Frau, die gerade ihren Schuhladen abschloss. Eine Freundin seiner Mutter, die er nicht mochte. Er mochte sie im Grunde alle nicht. Blöde Schnepfen, altes Gewöll, das so tut, als wäre es immer noch sexy oder wichtig. Genau wie seine Mutter.
    »Frohe Weihnachten!«, rief die Frau.
    Yannick nickte kurz, dann kuckte er wieder weg.
    »Soll bloß das Maul halten, die blöde Fotze«, sagte er.
    Er zog sich seine Kapuze über den Kopf und nahm seine Freundin in den Arm. Angel zitterte ein bisschen. Sie fror.
    Wenn dicke Jacken nur nicht so hässlich wären.

    »Halt«, sagte jemand hinter ihnen. »Stehen bleiben.«
    Yannick drehte sich um. Angel stellte sich seitlich hinter ihren Freund und hielt sich an seinem Arm fest, aber es half ihr nicht. Die fünf Obdachlosen hatten um die beiden Jugendlichen einen Kreis formiert, und das in einer Geschwindigkeit, die ihnen niemand zugetraut hätte, am allerwenigsten sie selbst. Dunkle Gesichter sahen Yannick und Angel an. Ihre Blicke und ihr Schweigen waren von einer aggressiven Schwere, die in der Lage gewesen wäre, das Pflaster unter ihnen einzudrücken.
    Sie mussten nicht sagen, was sie wollten. Yannick wusste es auch so. An ein paar von ihnen konnte er sich erinnern. Und sie wollten Rache.
    Aber Snake würde sich nicht einschüchtern lassen.
    »Verpisst euch«, sagte er.
    Die Obdachlosen rührten sich nicht. Ihr fuseliger Atem, ihr Gestank nach Straße und Einsamkeit und Armut, das alles waberte Angel ins Gehirn. Ihr wurde schlecht. Die kamen ihr zu nah. Wenn sie die im Bunker vor sich hängen hatten, lebten sie fast nicht. Sie stanken dann irgendwie nicht so. Und die Mädchen gingen auch nie so nah ran wie die Jungs. Die Mädchen setzten nur mal einen Tritt. Sie waren ja eher zum Anfeuern dabei.
    Yannick machte einen Schritt nach vorne, aber einer der Obdachlosen, der mit der Fliegermütze, schubste ihn zurück in die Mitte.
    »Schön hierbleiben«, sagte ein anderer. Er trug eine verfilzte Fellmütze und einen fusseligen, bodenlangen Wollmantel.
    »Lasst uns durch«, sagte Yannick und versuchte es noch mal. Denen musste man nur

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