Eisprinzessin
Oberbayern«, sagte Holler.
»Ach, komm schon«, lachte Brunner, »und dann sollen wir so einem krummbeinigen Labrador hinterherlaufen? Wie ein Grüppchen Pfadfinder?«
»Wir doch nicht.« Holler ließ sich nicht provozieren. »Der Hundetrainer. Wir bräuchten nur ein getragenes Kleidungsstück der Vermissten oder eine Zahnbürste oder so etwas.«
Brunner winkte ab, doch Holler ließ sich nicht beirren. »Ich hab das mal bei einer Vorführung in Fürstenfeldbruck gesehen. Das war echt beeindruckend, was die Hunde geleistet haben. Soll ich mich da mal erkundigen? Die Spuren müssen natürlich möglichst frisch sein.«
»Jaja«, frotzelte Brunner wieder, »und wenn dir ein kleiner Platzregen dazwischenkommt, sind deine schönen Spuren sofort futsch.«
»Mit Hunden kenn ich mich nicht aus«, sagte Meißner. »Aber ich glaube sowieso, dass sich alles ganz von selbst aufklären wird. Vielleicht meldet sie sich ja, oder sie steht einfach morgen vor der Tür.«
»Aber die Frau ist doch verheiratet, Stefan!«, wandte Holler ein. »Bei meiner Frau könnte ich mir das nicht vorstellen, dass sie einfach mal irgendwohin fährt, ohne mir Bescheid zu geben. Das kann sie sich doch denken, dass ich mir da Sorgen mache.«
»Ich glaube auch nicht, dass deine Heidi das machen würde«, sagte Marlu. »Außer vielleicht, ihr hättet euch gestritten. Aber dann würdest du ja auch nicht gleich zur Polizei laufen, oder? Dann würdest du erst einmal abwarten, ob sie sich meldet oder ob du sie irgendwann erreichen kannst.« Holler nickte zustimmend. »Aber ich kenne schon so Leute, die zwar in einer Beziehung leben, denen ich aber trotzdem zutrauen würde, dass sie sich einfach aus dem Staub machen, wenn es ihnen wegen irgendetwas zu viel wird. Wenn man ihnen zu nahe kommt, zum Beispiel. Bindungsangst nennt man das, und die gibt es nicht nur bei Männern.«
Meißner stutzte. Meinte sie ihn? Hatte sie das vorhin im Auto doch nicht nur so dahingesagt? Das war doch Unsinn! Er war Beamter und ein kreuzbraver Mann außerdem. Bindungsangst, bloß weil er nie geheiratet hatte? Wenn es nach ihm gegangen wäre, würde er heute noch mit Carola zusammenleben. Sie hatte etwas dagegen gehabt, nicht er. Also das war doch alles Blödsinn.
»Oder sie ruft von irgendwoher an und sagt, dass sie nie mehr zurückkommen wird. Dass sie die Schnauze voll hat.« Brunner war von der Bindungsangst-These also auch nicht zu überzeugen.
»Und warum hat sie ihm das nicht einfach gesagt, bevor sie gegangen ist?«, fragte Holler. »Wäre auch nicht schön gewesen, aber schließlich nichts, was nicht jeden Tag x-mal passiert. Oder etwa nicht?«
»Nur verträgt es eben nicht jeder, wenn er verlassen wird«, sagte Brunner. »Manche werden da ganz schön böse.«
»In jeder Ehe oder Beziehung, die schon einige Jahre alt ist, hat man doch irgendwann mal diesen Moment, wo man davon träumt, einfach wegzugehen und was ganz anderes zu machen«, sagte Holler, »irgendwo anders noch einmal ganz von vorn anfangen, vielleicht mit einem neuen Partner.«
»Ach ja?«, fragte Marlu neugierig.
»Sprichst du von dir und deiner Heidi?«, feixte Brunner.
»Da musst du schon die Heidi fragen, wenn du wissen willst, was in ihrem Kopf vorgeht«, sagte Holler. »Wär ja auch schlimm, wenn man in einer Ehe immer alles aussprechen und selbst die geheimsten Gedanken und Phantasien des anderen kennen würde. Würdest du das von deiner Partnerin alles wissen wollen, Axel?«
»Na ja, gewisse Phantasien schon«, sagte Brunner, »wenn du verstehst, was ich meine. Darüber würde ich sogar so viel wie möglich wissen wollen.«
»Dann hoffen wir jetzt einfach, dass sie sich meldet. Was anderes bleibt uns sowieso nicht übrig.« Damit legte Meißner die weiteren Ermittlungen im Fall der vermissten Charlotte Helmers auf Eis. Zumindest vorläufig.
Nach Dienstschluss schlug Marlu vor, noch etwas zusammen zu essen. »Bei mir gibt es noch einen Rest selbst gemachter Lasagne im Kühlschrank«, sagte sie. »Wenn wir uns einen Salat dazu machen und irgendwo noch ein Baguette holen, müsste es für zwei reichen.«
Meißner war unschlüssig.
»Ein Rest Tiramisu von der Mama ist auch noch da. Hat sie mir gestern vorbeigebracht.«
Damit hatte sie den richtigen Knopf gedrückt. Gegen selbst gemachtes Tiramisu war Meißner praktisch wehrlos. Außerdem war es ratsam, die Einladung nicht auszuschlagen, wenn er Marlu nicht kränken wollte. Mit einer Absage hätte er den Bogen eindeutig
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