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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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Gärtner im Park mit ihren feinen Metallrechen, die den Boden kämmen und dabei die Steinchen vom Boden zum Springen bringen. Eine Heckenschere, die sich in die Lorbeerbüsche hineinraschelt. Mauricio mit der Cäsarennase und dem Haarschnitt eines italienischen Dorfbuben, der pausenlos vor sich hin murmelt, als beschwöre er jeden Handgriff, den er tut, mit einer Zauberformel. Der zweite Gärtner, der jüngere, der ihm nie zuhört, ist in seine Arbeit vertieft. Er trimmt die Kronen der Lorbeerbäumchen zu Kugeln und zwickt unnütze Äste unten am Stamm ab, damit alle Kraft in die Krone steigt. Mauricio recht kleine Häufchen des Heckenschnitts zusammen, bevor er sie mit den groben Gartenhandschuhen packt und in einen grünen Plastiksack wirft. Er arbeitet bedächtig. Sammelt so behutsam seine Gartenabfälle ein, als seien sie lebendig. Hat er etwas übersehen, recht er noch einmal nach. Er wird nicht nach Arbeitsstunden bezahlt, hat kein Plansoll zu erfüllen, arbeitet immer gleich sorgfältig, ohne Blick auf die Uhr, wie ein Beamter in besseren Zeiten.
    Der jüngere Gärtner in der grünen Latzhose ruft ihn, wenn für den Kronenschnitt die Klappleiter aufgestellt werden muss. Mauricio bleibt immer am Fuß der Leiter stehen, um den anderen zu sichern. Er plappert wieder ohne Unterlass, als verschaffe erst das Reden ihm Wichtigkeit und eine Eintrittskarte in die Welt der anderen Menschen, die mit dem Leben besser zurechtkommen als er. Mauricio ist der klassische Begleiter und treue Diener, der immer als Letzter zu arbeiten aufhört, immer nach seinem Herrn.
    Es duftet nach geschnittenem Lorbeer. Mauricio recht wieder. Er fängt jeden Satz mit einem »Ah« an, so als müsse er sich erst aufs Sprechen einstellen. Er geht mit hängenden Armen. Von hinten sieht man, dass er schief gewachsen oder krumm geworden ist. Seine rechte Schulter ist höher als die linke. Man glaubt, einen Buckel zu erkennen, wo vielleicht gar keiner ist.
    Elf Uhr. Mauricio lehnt seinen Rechen an den Feigenbaum, der fast all seine Früchte vor der Zeit abgeworfen hat. Er läuft seinem Kollegen wie ein Hündchen hinterher, wie ein plapperndes Kind, das unaufhörlich ruft: »Mama, schau!«. Ein gedrungener, stämmiger Mann mit tiefschwarzem Haar, das aussieht, als wäre es gefärbt. Nur an den Schläfen kräuselt sich ein wenig Grau in die breiten Koteletten. Flaniert ein Hotelgast durch den Park an ihm vorbei, reckt er das Kinn wie eine alte Schildkröte. Wahrscheinlich zieht er deshalb auch die rechte Schulter bis zum Ohr. Durch die frisch geschnittenen Lorbeerbüsche glitzert die blaue Wasserfläche des Pools hindurch. Es ist noch früh. Die Hotelgäste kommen gerade erst satt vom Frühstücksbuffet.
    Die scheuen Amseln hüpfen über den frisch geharkten Boden und picken im Boden nach etwas Essbarem. Sie springen wie Einbeinige, wippen aufgeregt mit dem Schwanz, wenn sie etwas Fressbares gefunden haben, und recken dann den Schnabel in die Luft. Keine Bewegung in ihrer Umgebung entgeht ihnen. Wenn sich jemand nähert, zetern sie nicht, sondern hüpfen nur lautlos davon und verstecken sich wie eine Maus im Gebüsch. Alle sind sie braun. Kein Männchen mit glänzendem schwarzem Gefieder darunter. Die Stadt der Amselweibchen. Oder sind es doch ausschließlich Jungvögel, die ausgewachsen, aber immer noch keine guten Flieger sind und deshalb lieber hüpfen? Wie Babys, die über die Zeit hinaus krabbeln, als fiele es ihnen schwer, die erste Art der Fortbewegung, die sie gelernt haben, wieder aufzugeben. Wenn es aber lauter Junge sind, wo sind dann die Alten? Was ist mit ihnen geschehen? Und wie sollen die Jungen ohne sie zurechtkommen?
    * * *
    Meißner bog auf den Parkplatz der Donau-Kühlung. Ein Lkw dockte in diesem Moment rückwärts an der mittleren der fünf Eingangsschleusen zum Kühlhaus an. Ohne Brille, die er im Auto gelassen hatte, konnte er das Kennzeichen des Lkws nicht erkennen.
    Der Bürotrakt befand sich an der linken Seite des Gebäudekomplexes. Da die geschwungene Theke hinter der Doppelglastür nicht besetzt war, folgte Meißner einem Schild mit Pfeil Richtung Anmeldung.
    »Na, was bringen Sie uns heute Schönes?« Die Dame, zu der die Stimme gehörte, sah nicht ihn an, sondern ihren Bildschirm.
    »Drei Sattelschlepper Schweinehälften und zwei Lkw mit Hühnerklein.«
    Die Dame sah über den Rand ihrer Lesebrille auf und musterte den Besucher streng. »Die ham Sie Grischperl aber nicht selbst aufgeladen, oder? Wenn Sie mich hier vor

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