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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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Medikamente zur Beruhigung bekommen hatte. Trotzdem wollte er Eberl unbedingt sehen und sich einen persönlichen Eindruck von ihm verschaffen.
    Eberl lag mit offenen Augen auf seinem Bett. Er nahm kaum davon Notiz, dass Meißner die Zelle betrat. Meißner zog den einzigen vorhandenen Stuhl ans Bett und setzte sich.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    Eberl sah ihn kurz an, zeigte aber keine Regung, dass er ihn wiedererkannte. Dann schweifte sein Blick wieder ab.
    »Sie haben Ihre Frau umgebracht?«
    Eberl schloss die Augen.
    »Soll ich Ihnen was sagen? Ich glaub das nicht.«
    Keine Reaktion.
    »Wie haben Sie sie denn umgebracht? Haben Sie sie erwürgt oder erstochen? Erschossen vielleicht?«
    Eberl spielte Kind und hielt sich die Ohren zu.
    »Wo haben Sie Charlotte denn getötet? Und wie haben Sie die Leiche ins Kühlhaus geschafft?«
    Meißner versuchte eine seiner Hände zu fassen und sie vom Kopf wegzuziehen. Eberl fing an zu schreien. Fast so schlimm wie Marlu vorhin im Auto. Als Meißner erschrocken von ihm abrückte, hielt er kurz inne, holte Luft und heulte dann wie eine Sirene los. Meißner hörte, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und die Zellentür geöffnet wurde.
    »Was ist denn hier los? Sie können uns um die Uhrzeit aber nicht die ganze Anstalt rebellisch machen, gell?« Der Beamte wandte sich an Eberl: »Was haben Sie denn, Herr Eberl? Tut Ihnen was weh?«
    Meißner war nicht wohl in seiner Haut. Der Beamte musterte ihn, als hätte er dem Häftling Daumenschrauben angesetzt oder ihm sonst was angetan.
    »Man hat Ihnen doch gesagt, dass der Mann eine Beruhigungsspritze bekommen hat. Aus dem werden Sie heute nichts Vernünftiges mehr rauskriegen.«
    »Für eine Beruhigungsspritze ist er aber noch verdammt gut bei Stimme.« Meißner stand auf. »Hat er sich vor dem Haftrichter irgendwie geäußert?«, fragte er und bereute es sofort.
    »Woher soll ich das wissen? Ich war ja schließlich nicht dabei. Redet ihr bei der Kripo in Ingolstadt eigentlich nicht miteinander? Einer von euch war sicher da. Geht ja nicht anders.«
    »Sie haben natürlich recht. Dann will ich die Anstaltsruhe mal nicht weiter stören. Und vielen Dank auch.«
    Erst als die Tür hinter ihm zufiel, hörte Eberl endlich auf zu schreien. Meißner folgte dem Beamten durch mehrere Gänge und Türen, die auf- und hinter ihm wieder abgeschlossen wurden.
    Er war sich nicht sicher, ob Eberl ihm den Idioten nur vorgespielt hatte, trotzdem glaubte er die Geschichte seines Kollegen Brunner jetzt genauso wenig wie vorher. Dieses Geständnis oder das, was Brunner als solches präsentiert hatte, war in seinen Augen auf keinen Fall die Königin der Beweise.
    Die Neuburger Altstadt, so schön sie auch war, wirkte wie ausgestorben. Kein Mensch war auf der Straße, nur seine eigenen Schritte hallten über das Kopfsteinpflaster und wurden von den hohen Mauern der alten Gebäude ringsherum zurückgeworfen. Das Café, in dem er sich sonst, wenn er am Amtsgericht zu tun hatte, ein Stück Ottheinrichtorte bestellte, hatte sowieso schon zu – wenn es denn sonntags überhaupt öffnete.
    Während er in die Neustadt hinunterfuhr, sah er ein Plakat für das diesjährige Donauschwimmen. Jetzt war es bald wieder so weit. Jedes Jahr im Januar sprangen bis zu zweitausend Wahnsinnige in den zwei Grad kalten Fluss. Die besonders Hartgesottenen unter ihnen, die sich Eisschwimmer nannten, waren nur mit Badehose respektive Badeanzug bekleidet. Unvorstellbar, dass jemand so eine Tortur freiwillig auf sich nahm und daran auch noch Spaß hatte.
    Als Meißner nach Ingolstadt und zur Donau-Kühlung zurückkam, war die Durchsuchung des Kühlhauses noch immer in vollem Gang. Die Einsatzkräfte brauchten häufiger als die regulären Angestellten Aufwärmpausen, weil sie die Kälte und das Arbeiten mit Handschuhen und in Thermokleidung nicht gewöhnt waren. Wie in einem Möbellager waren die Hochregale vollbepackt. Palette für Palette holte der Gabelstapler herunter, dann wurde die Folie entfernt, in die jede Palette eingeschweißt war. Der einzige Gabelstaplerfahrer, der zur Verfügung stand, war kurz davor, den Dienst zu verweigern, und wollte wissen, ob die Polizei ihm auch seine Überstunden zahlen würde, inklusive Sonntags- und Nachtzuschlag. Um zweiundzwanzig Uhr warf er das Handtuch und ging nach Hause.
    Widerstrebend blies Brunner die Aktion für diesen Abend ab. Am nächsten Morgen um acht Uhr würde es weitergehen. Das Letzte, was Meißner vom Auto aus sah, war,

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