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EisTau

EisTau

Titel: EisTau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Nebel lacht«, die Sprache zieht sich zurück vor dem Wunder, das Schweigen erwartet uns hinter dem Dunst »wie des Mondes weißer Schein«.

5.
    Rufen Sie an, die ersten drei Anrufer kriegen einen geblasen, ich bin kein Bruder Lustigfuß, das liegt auf der Hand, Charly, fang nicht ohne mich an, Kalkutta liegt am Ganges, der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht, Sie haben doch auch nichts zu verschenken, Charly, warte, sie gehört nicht dir allein, plündern Sie, solange der Vorrat reicht. Die Ermittlungen werden sofort aufgenommen, du mußt gleich wieder hinfliegen, iß was, solange die Maschine aufgetankt wird, das ist kein Fotoshoot mehr, das ist ein Notfall. Paris liegt an der Seine, das kommt davon, wenn man die Renovierung hinausschiebt, die Straße ist wegen Bauarbeiten gesperrt, wenn Sie bitte die Umleitung nehmen, die Tanker fahren auf hoher See, bis sie auseinanderbrechen, den ich so lieb wie keinen, auf diese Beine können Sie schauen, wo der Bürger ist, kann der Bankster nicht weit sein, da hat man dreißig Jahre geschuftet, hat jeden Cent gespart, ist nie in Urlaub gefahren und dann so was, lmao, haben Sie eine Ahnung, wieviel davon abhängt? Ein Notfall mit internationalen Verwicklungen, alle Schiffe im Umkreis, es handelt sich um die URD, die WERDANDI und die SKULD, fahren Gerlache Strait an, zur Bergung der Passagiere, wir müssen auf alles vorbereitet sein. Soll ich Ihnen mal verraten, was das Problem mit den Ureinwohnern ist, sie sind zu genügsam, wir müssen sie mit unserer Gier infizieren, sonst wird es niemals Frieden geben zwischen ihnen und uns, als wir uns in Sicherheit wiegten, hatten wir Übergewicht. Das erste Schiff dürfte in etwa zwei Stundeneintreffen, der Kapitän der URD hat die Leitung übernommen, kälteres Wasser existiert nicht. Ein Schiff wird kommen, das sollten Sie sich unter den Nagel reißen, auf die Wetterlage ist kein Verlaß, auf das Geschäftsklima ebensowenig, und meinen Traum erfüllen, alle 36 Stunden kommt es zu einer Depression, und meine Sehnsucht stillen, an einem einzigen Tag erleben wir alle vier Jahreszeiten, die Sehnsucht mancher Nacht BREAKING NEWS HOFFNUNG FÜR ÜBERLEBENDE BREAKING NEWS HOFFNUNG FÜR ÜBERLEBENDE nimmermehr

VI.   
S 54°16´8´´W 36°30´5´´
    Es ist ein Tag, an dem man Wolken mit Bergen und Berge mit Wolken verwechseln könnte. Alpen erheben sich inmitten des Ozeans. Wenn die Wolkenhänge reißen, werden Gletscher und Gestein sichtbar, darunter Hutungen, an denen sich die Rentiere verbeißen, seitdem sie von heimwehkranken Norwegern eingeführt worden sind. Bäume haben hier niemals Wurzeln geschlagen. In der Bucht grünt sich das Meer ein, reich an Sauerstoff und Krill. Die Schöpfung erscheint in unvertrauter Klarheit, als hätte man uns allen über Nacht den grauen Star entfernt. Wir laufen Grytviken an, eine alte Walfangstation, von einem Tag auf den anderen aufgegeben, auf daß sie verfalle und verrotte. Die Passagiere flanieren von Friedhof zu Schlachthof zu Schlammloch, darin wälzen sich See-Elefanten, die keine Regung zeigen außer beim Gähnen. Unser Anlegeplatz ist unweit des Friedhofs, der ein kleines, aber feines Sortiment an Dahingeschiedenen führt, die Etiketten aus weißem Stein, an entspannten Tagen ehren wir Sir Ernest Shackleton mit Kapitänssekt. Die Dieselöltanks sind so ordentlich aufgereiht wie die Gräber, es wurde viel abgekocht in dieser Topfbucht. In der Fabrik zerlegte der Mensch Wale, die Zeit zerlegt die Fabriken. Eslastet eine Stille auf den verfallenden Hallen, die Raubmöwen fliegen anderswo. Hinter dem Gerippe eines Lagerraums steht Beate, gestikuliert mit ungewohnter Heftigkeit, der Wind peitscht ihre Haare, die Strähnen fliehen nach vorn. Die Tranbottiche verströmen immer noch Gestank, so kommt es mir vor, inmitten von rostendem Schlachtwerk fällt das Atmen schwer. Einige der Dächer hängen schief zwischen Wolken und blechernem Boden, rote Tafeln markieren ein asbestverseuchtes Areal. Vor der Knochenkocherei halten drei Figuren eine Eisenkette fest in den Händen und lehnen sich nach hinten, als würden sie gegen längst verstorbene Walfänger tauziehen, Kichern flöckelt zu mir herüber, die Filipinos spielen in diesen Ruinen gerne Versteck. Wie soll ich Abstand gewinnen von diesem Flensdeck, das den Tod bedeutet hat? Die schneebedeckten Berge sind ferne, unbeteiligte Kulissen. So gut sind die Pelzrobben im dunkelgrauen Sand versteckt, man muß achtgeben, nicht versehentlich auf eine

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