Eiswind - Gladow, S: Eiswind
unwahrscheinlich
war -, würden sie seine Spur dennoch nicht verfolgen können.
Er stieß den Rauch seiner Zigarette aus und schloss die Augen. Ihm graute davor, dass man seine Strategie öffentlich machen würde. Seine Identität im virtuellen Raum zu zerstören hieße, die kostbaren Brücken einzureißen, die er bereits zu weiteren Frauen errichtet hatte.
Und es war nicht leicht, geeignete Opfer zu finden. Er hatte kein Interesse an dicken, unförmigen Quallen.
Seine Suche galt immer wieder ihr – Sabrina -, weil nur sie zu töten ihm Erleichterung verschaffte. Und sie einmal zu zerstören war nicht genug gewesen. Er musste es immer wieder tun. Es verblüffte ihn, dass er so viele Jahre lang nicht erkannt hatte, dass seine Erfüllung darin lag, sie immer wieder zu töten. Allein dies verschaffte ihm Befriedigung. Ihm war, als habe er in einem Vakuum gelebt – nach ihrem Tod zum ersten Mal fähig, in vollen Zügen zu atmen.
Sein Blick schweifte versunken über seine Porno-und Horrorfilmsammlung, die ihm lange Zeit genug gewesen war. Doch jetzt wusste er, dass nur das Töten ihm wahrhafte Kraft verlieh. Er musste es tun, es war seine Bestimmung, sein Lebenselixier. Es gab nur wenige Momente in seinem Leben, die mit dem, was er beim Morden der Frauen empfand, vergleichbar gewesen wären.
Er rappelte sich langsam auf. Die Null-Uhr-Nachrichten waren vorbei, heute würde es nichts Neues mehr geben. Gähnend erhob er sich und setzte sich an
seinen Schreibtisch, wo er in seinem gewohnten Ritual seine Handballen knacken ließ und die Finger in Richtung der Handrücken presste, bevor er sich einloggte. Als er endlich in einem seiner bevorzugten Chatrooms war, seufzte er erleichtert. Er hatte noch Aufgaben zu erledigen, wichtige Aufgaben.
28. KAPITEL
S ie sind so was von albern!«, tadelte Anna und blickte ihrem Kollegen Bendt über die Schulter.
Sie hatte ihren Laptop auf seinem Bürotisch im Präsidium abgestellt, und Bendt saß ihr gegenüber und tat so, als arbeitete er mit übertriebenem Eifer die Liste ab, die vor ihm lag.
»Hatten Sie Kontakt zu einem Challenger5?«, fragte er inquisitorisch.
»Also bitte, ich würde nie mit jemandem chatten, der Challenger5 heißt«, gab Anna ironisch zurück. »Challenger2 vielleicht, aber Challenger5? Nie im Leben.«
Die Vernehmung hatte lange gedauert, weshalb Anna sich entschieden hatte, an diesem Tag nicht mehr in ihr Büro zurückzufahren, sofern nichts Eiliges auf ihrem Schreibtisch lag. Um dies herauszufinden, hatte Anna von Kommissar Bendts Arbeitsplatz aus bei ihrer Geschäftsstelle angerufen und kontrollierte parallel ihre E-Mails auf dem von ihr mitgeführten Laptop.
Zum Schein hatte Bendt begonnen, Annas Kontaktadressen zu kontrollieren, nachdem er durch Zufall im Gespräch über die Vernehmung darauf gestoßen war, dass auch sie schon im Internet auf einem Chatportal
eingeloggt gewesen war. »Ich möchte keinesfalls, dass Sie von meinem Büro aus Internetkontakte zu Mördern und Verbrechern aufnehmen«, hatte er augenzwinkernd kommentiert.
»Ich habe mich, wie gesagt, in meinem ganzen Leben ein einziges Mal in ein Chatportal eingeloggt und nach kürzester Zeit das Interesse daran verloren«, amüsierte sich Anna. »Geschweige denn, dass ich irgendwelche Kontakte gehabt hätte, die auch nur entfernt dem Muster entsprachen, das wir dem mutmaßlichen Täter zuordnen.«
»Was macht eine Frau wie Sie auch im Internet?«, frotzelte Bendt und fügte, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu: »Und was ist mit Popeye oder Lucky Luke?« Er beugte sich ein wenig vor und sah sie prüfend an. Dann flüsterte er: »Oder hatten Sie vielleicht sogar Kontakt zu Lonely Zombie?«
Anna prustete vor Lachen. »Lonely Zombie steht doch garantiert nicht auf Ihrer Liste!«, sagte sie mit gespielter Entrüstung.
»O doch«, widersprach er augenzwinkernd. »Und Lonely Lover ist auch dabei.«
»Jetzt weiß ich, wer der Mörder ist«, flüsterte Anna und setzte so das Spiel fort. »Es ist Happy Dietmar!«
»Wunderbar«, antwortete Bendt und klappte mit einem Griff über den Schreibtisch ihren Laptop zu. »Wir haben ihn.« Er blickte sie selbstzufrieden an. Dann hob er seine Kaffeetasse und prostete ihr zu.
Sie trank ebenfalls einen Schluck Kaffee und ließ sich schmunzelnd in ihren Stuhl zurückfallen. Ein Klopfen
an der Bürotür unterbrach den kurzen Moment des einträchtigen Schweigens.
»Wer weiß, wer das schon wieder ist?«, fragte Bendt, erhob sich und schlich in gespielter
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