Eiswind - Gladow, S: Eiswind
langer Zeit hier gewesen sein. Er ging ins Schlafzimmer hinüber, während er erneut ihre private Mobilfunknummer wählte. Das Läuten ihres Handys, das er aus dem Erdgeschoss vernahm, verriet ihm, dass sie es irgendwo dort zurückgelassen hatte. Mist, dachte er und schaute sich weiter um.
Sie ist schon im Bett gewesen, stellte er fest, denn er fand es völlig zerwühlt vor. Bendt empfand ein Gefühl der Scham, weil er auf diese Weise in ihre Intimsphäre eindrang. Dennoch überwog bei Weitem ein Gefühl der Sorge, das ihn antrieb weiterzuforschen.
Ihren Schlafanzug hatte sie in eine Ecke gefeuert, und der Schrank stand offen. In ihm wuchs die Unruhe. Sie schien in Eile aufgebrochen zu sein.
Er blickte auf den Boden und bemerkte neben dem kleinen Rinnsal, das sich seitlich seiner Schuhe ausbreitete, einen Zettel, den er aufhob und las. »Kommissar Schmidt« war darauf notiert, »Hauptkommissar Braun« und »Oberstaatsanwalt Tiedemann«, dazu die entsprechenden Telefonnummern.
Kommissar Schmidt? Kannte er einen Kollegen, der so hieß? Der Name sagte ihm leider gar nichts.
Er wählte die dazugehörige Nummer, doch es nahm niemand ab. Zu seiner Verwunderung stellte er fest, dass es sich um eine Privatnummer handeln musste. Die Mobilfunknummern der Diensthandys der Kriminalbeamten begannen alle mit den gleichen Ziffern, doch hier fehlten diese. Bendt stutzte außerdem, weil er feststellte, dass auch die Nummer von Hauptkommissar Braun falsch notiert war. Es befand sich darin ein Zahlendreher.
Er las weiter. »Tatort: B 105, Richtung Holm, ca. 11 km, Gehöft Feldhoop ist ausgeschildert, danach zweiter Feldweg.«
Bendt runzelte die Stirn. Holm lag in Mecklenburg-Vorpommern und damit überhaupt nicht in Annas Zuständigkeitsbereich. Wie kam dieser Kommissar Schmidt mitten in der Nacht dazu, eine Staatsanwältin aus Lübeck anzurufen?
Er griff nach seinem Apparat und wählte die Nummer von Hauptkommissar Braun. Hier war irgendetwas gewaltig faul.
39. KAPITEL
A nna fluchte. Hoffentlich hatte sie die Wegbeschreibung richtig in Erinnerung. War es der zweite Feldweg nach dem Gehöft Feldhoop gewesen? Ja, das hatte Kommissar Schmidt am Telefon gesagt, sie war sich ziemlich sicher. Leider schien ihr ihr Notizzettel in der Eile aus der Hand gefallen zu sein, als sie das Diensthandy in ihre Jackentasche geschoben hatte.
Sie verließ die Bundesstraße. Die Scheibenwischer quietschten hektisch über die Scheibe und schafften es wegen des stürmischen Regens trotzdem kaum, die Frontscheibe frei zu halten. Anna saß mit zusammengekniffenen Augen dicht hinter dem Lenkrad und bugsierte ihren Wagen mühsam über die nasse Fahrbahn. Der eisige Ostwind pfiff heulend über das Land, und die Wipfel der Bäume bogen sich, als drohten sie jeden Moment wie Streichhölzer zusammenzuknicken. Das Geäst, das der Sturm bereits auf die Straße gefegt hatte, zwang sie zur Vorsicht. Zudem war die Straße spiegelglatt.
Anna versagte es sich, erneut zu versuchen, Oberstaatsanwalt Tiedemann zu erreichen, denn sie musste langsam fahren und achtgeben, nicht von dem Fernlicht der entgegenkommenden Fahrzeuge geblendet zu
werden. Sie fuhr fast im Schritttempo, um überhaupt etwas erkennen zu können. Um ein Haar hatte sie dann auch das Holzschild, das den Weg zum Gehöft Feldhoop ankündigte, übersehen.
Sie erreichte den zweiten Feldweg. Hier musste es sein. Wenn sie richtig war, würde sie bald den Parkplatz erreichen.
Es war nun stockdunkel. Anscheinend bin ich hier doch völlig falsch, dachte Anna, während sie abbog. Sie fluchte innerlich, weil sie diesen Schmidt nicht anrufen konnte. Dann erreichte sie schließlich das Ende des Feldweges, der ins Nirgendwo zu führen schien. Es war keine Menschenseele zu sehen, und die Dunkelheit und der tosende Wind machten Anna in dieser Einöde Angst.
Sie wendete ihr Fahrzeug, hielt jedoch noch einmal an, um erneut zu telefonieren. Sie wollte versuchen, Bendt zu erreichen. Er könnte ihr vielleicht weiterhelfen und sagen, wie sie Kommissar Schmidt erreichen konnte.
Gerade hatte Anna die letzte Ziffer gewählt, als sie die Lichter eines weiteren Fahrzeugs aufblitzen sah, das in den Feldweg einbog. Anna blinzelte dem Wagen entgegen und ließ ihr Handy sinken. Sie hätte schreien mögen vor Glück, als sie hinter dem Steuer Oberstaatsanwalt Tiedemann erkannte.
Sofort sprang sie aus dem Wagen und lief durch den Regen zu ihm hinüber. Tiedemann öffnete ihr die Beifahrertür, begrüßte sie knapp und bat
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