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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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genau …« Er verstummte erneut. »Ich werde ein Stück in den Wald hineingehen. Bis gleich.« Endlich legte er auf.
    »Das war ihr Freund, Kommissar Bendt«, sagte Tiedemann vielsagend. Über sein Gesicht huschte ein bitterer Ausdruck. »Wir müssen uns beeilen.«
    »Kommissar Bendt ist nicht mein Freund«, berichtigte Anna ihn und ärgerte sich gleichzeitig darüber, dass sie sich vor ihrem Vorgesetzten dafür rechtfertigte, dass sie einen Kollegen der Kriminalpolizei duzte. Ihr Privatleben ging ihn nun wahrlich nicht das Geringste an!
    »Ist der nicht in Berlin?«, fragte sie dann, kam jedoch nicht dazu, näher nachzuforschen, weil Tiedemann sich bereits abwandte und entschlossen weitermarschierte.
    »Kommen Sie«, drängte er, »die Zeit wird knapp!«
    Anna war erleichtert, dass Bendt bald hier sein würde. Die Taschenlampe warf gespenstische Schatten auf den dunklen Waldboden. Sie stolperte voran. Es war hier kaum möglich, nebeneinander zu gehen, sodass sie triefnass wurde. Sie ärgerte sich darüber, dass er ihr nicht den Schirm überließ.
    »Woher wissen Sie überhaupt, dass wir richtig sind?«, protestierte sie ungehalten, als sie fast von einer Baumwurzel zu Fall kam. »Ich sehe hier überhaupt nichts an Einsatzfahrzeugen! Weshalb treten wir nicht einfach den Rückweg an und fahren auf den anderen Parkplatz?!«
    Tiedemann blieb stehen und blickte sie im Schein der Taschenlampe unverwandt an. Seine Züge wirkten irgendwie entrückt. »Wir sind absolut richtig, wo wir sind«, sagte er leise und stand ihr nun unter dem Schirm wieder so nah gegenüber, dass sie seinen Atem riechen konnte.
    »Haben Sie etwa getrunken?«, entfuhr es Anna unvermittelt, da der Geruch hochprozentigen Alkohols nicht zu ignorieren war.
    »Vielleicht einen winzigen Schluck«, entgegnete er ruhig und fuhr ihr mit seiner linken Hand zärtlich über die Wange.
    Sie wich zurück. Davon abgesehen, dass sie nicht an ihrem Vorgesetzten interessiert war, schien es ihr der bei Weitem unpassendste Ort für eine Liebeserklärung zu sein, den sie sich überhaupt vorstellen konnte.
    »Ich glaube, dass Sie vielleicht etwas missverstanden haben«, sagte sie verlegen. »Ich meine, es ist nicht so, dass ich Sie nicht mag, aber ich halte grundsätzlich nichts von Beziehungen zu Kollegen.«
    Tiedemann lachte höhnisch auf. »Ich glaube eher, Sie finden zu viele Männer attraktiv und haben generell keine Probleme damit, sich mit irgendjemandem einzulassen«, sagte er dann mit einer ihr ungewohnten Bitterkeit in der Stimme.
    Anna ersparte es sich, seine Spitze zu kommentieren. Sie empfand es als absolut grotesk, bei diesem Unwetter irgendwo in der Einöde mit ihm zu stehen und diese Art von Unterhaltung zu führen.
    »Hier weist doch nichts auf einen Tatort hin!«, wiederholte
sie stattdessen. »Wir sollten wirklich zurückgehen und zu dem anderen Parkplatz fahren.«
    »Wir sind bereits am Tatort«, sagte Tiedemann nun so leise, dass seine Worte fast von dem starken Wind davongeblasen wurden.
    »Bitte? Ich sehe hier nichts«, sagte Anna irritiert und sah sich um, ohne etwas anderes in dieser Wildnis wahrnehmen zu können als die sich dem Sturm beugenden Wipfel der Bäume und den beißenden Wind.
    »Sie müssen auch nichts mehr sehen«, sagte er leise, und sein Atem verriet ihr, dass er trotz seiner an den Tag gelegten Ruhe aufgeregt war.
    »Was?«, fragte sie irritiert. »Ich verstehe Sie nicht.« Anna wich erneut zurück, da sie fürchtete, er könne tatsächlich versuchen, sie an sich zu pressen und zu küssen. Doch zu ihrer Erleichterung tat er es nicht, sondern holte stattdessen etwas unter seinem Mantel hervor, was kurz darauf dumpf zu Boden fiel.
    Sie blickte genauer hin und erkannte einen Strick, an dessen Ende etwas hing. Sofort stürzte Hubert sich darauf.
    »Nicht, Hubert!«, rief sie. »Um Himmels willen, was ist das? Das sieht ja aus wie einer der Opferköder!« Ungläubig blickte sie auf ihren vor Nässe triefenden Hund, der gierig an dem Knochen kaute.
    »Ich finde, das ist ein sehr makabrer Scherz«, fuhr sie angewidert fort, unfähig, Hubert den Knochen zu entreißen.
    »Keine Angst, es wird nicht lange dauern«, sagte Tiedemann sanft zu ihr.

    »Was wird nicht lange dauern?«
    Anna begriff nicht, was hier vor sich ging. Das Einzige, was im Moment in ihr Bewusstsein vordrang, war ein Gefühl höchster Gefahr, obwohl ihr Verstand ihr verbot, dieses mit der Person zu verbinden, die vor ihr stand. Doch plötzlich war sie nicht mehr in der

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