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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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Hoffentlich
reichte die Zeit, um Gianna und ihren Retter zu erledigen. Wenn er sie nicht
erwischte, war das ganze schöne Spiel für die Katz.
    Er raste durch die Kehren, als wäre die Straße rappeltrocken. Die
Schneemassen kümmerten ihn überhaupt nicht. Er hatte nur ein Ziel: zu Ende
bringen, wozu der feige Polizist nicht fähig gewesen war. Der Verlust des
Einsatzes war das Mindeste, was er verdient hatte. Kam noch sein Kollege dazu,
Giannas Retter, umso besser. Angestrengt schaute er nach vorne. Der Schnee fiel
so heftig, dass die Scheibenwischer ihn gar nicht vollständig zur Seite
schieben konnten. Die Windschutzscheibe war von einer durchgängigen
Schneeschicht überzogen. Schrottauto, hätte er doch ein bisschen mehr auf
Qualität geachtet.
    Er bretterte durch die scharfe Rechtskehre, vor ihm lag das erste
halbwegs gerade Stück. Dort sah er sie. Sie waren noch vor der vorletzten
Kehre, der ein längeres gerades Stück folgte. Er drückte das Gaspedal bis zum
Anschlag durch. Die Räder drehten auf dem glatten Untergrund durch, er hielt
das Lenkrad fest umklammert. Die Räder fassten wieder, der Jeep machte einen Satz
nach vorne. In diesem Moment fuhren die beiden durch die Kehre, er war keine
fünf Sekunden hinter ihnen. Jetzt hatte er sie! Ein Blick in den Rückspiegel,
keine Spur von Bellini. Seine Skier waren viel zu lahm. Er war viel zu lahm.
Verabschiede dich von deiner Zukünftigen, du angstschlotternder Commissario.
Was für ein grandioser Triumph, besser als ein einziger Schuss auf einer Bank!
Jetzt lernst du deine letzte Lektion, bibbernder Hasenfuß. Feigheit ist eine
ekelhafte, verachtungswürdige Eigenschaft!
    Wenige Meter vor sich sah er Gianna, die sich an jemanden klammerte.
Er konnte erkennen, dass sie ein Tandemboard hatten. Chapeau, keine schlechte
Wahl für einen Gletscher. Aber ungeeignet für eine Straße. Denn hier, kurz vor
der Hauptstraße, flachte die Holperstrecke ab. Das Snowboard wurde rasch
langsamer. Glück im Unglück. Jetzt waren sie fällig. Er gab erneut Vollgas,
hielt direkt auf seine Opfer zu. Warum schneite es bloß derart heftig? Er sah
die Landschaft um sich wie durch einen dichten Schleier. Als er das Lenkrad
fester packte und sich voller Vorfreude innerlich auf einen lauten Knall
einstellte, tauchten plötzlich zwei Geländewagen nebeneinander aus dem Nebel
auf, zwischen denen die Flüchtenden in diesem Augenblick durchfuhren.
    Bellinis Kavallerie. Es war vorbei. In letzter Sekunde verlor er das
Spiel. Was hatte er verbrochen, dass sich das Schicksal auf solch grausame
Weise gegen ihn richtete? Die einzige Hoffnung, die ihm blieb, war die
Aussicht, dass Gianna durch die Zeit im Gletscher so mitgenommen war, dass sie
nie mehr dieselbe sein würde wie vorher. Vielleicht würde sie ihren Commissario
verlassen, und er würde nie wieder glücklich werden. Zumindest das hatte er
geschafft. Besser als nichts.
    Er drückte das Gaspedal weiterhin voll durch, näherte sich den
beiden Wagen. Er fühlte nichts mehr, dachte nichts mehr. Ein paar Uniformierte
sprangen zur Seite. Noch ein paar Meter. Mit einem Ruck verriss er das Lenkrad
nach rechts, eine Zehntelsekunde später donnerte der Jeep den Hang hinunter,
durch ein paar Bäume hindurch. Er drehte sich um die eigene Achse, überschlug
sich mehrfach, touchierte mehrere Bäume, schlug schließlich zweihundert
Höhenmeter weiter unten auf, in unmittelbarer Nähe des Flusses. Es lag kaum
Schnee, noch fiel auf dieser Höhe nur eine Art Schneeregen. Erst gegen Abend
würde der Winter auch hier alle Spuren zudecken.
    ***
    Die Carabinieri schauten mit offenem Mund den Hang hinunter. Das
Geräusch von zerberstendem Blech und splitterndem Glas war im Heulen des Sturms
beinahe untergegangen. Nun konnten sie auf den ersten Metern einen abgerissenen
Kotflügel sehen, ein paar abgebrochene Äste, aufgewühlte Altschneereste. Bald
würde der immer heftigere Schneefall alle Spuren zuwehen. Schon jetzt fielen
die Flocken so dicht vom Himmel, dass die Polizisten den Jeep unten nicht
erkennen konnten.
    Sabine Mauracher hatte das Board sofort gestoppt, nachdem sie
zwischen den beiden Geländewagen hindurchgefahren waren. Als sie sich umdrehte,
sah sie den Jeep auf sich zurasen. Sie riss Gianna zur Seite in der sicheren
Erwartung, dass der Irre versuchen würde durchzubrechen. Stattdessen hatte er
sich selbst gerichtet. Eine realistische Überlebenschance hatte er nicht.
    Endlich kam auch Vincenzo auf seinen Skiern an, fluchend, weil er
ohne

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