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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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Trinkgefühl. Die Bohnen sind übrigens von Izzo, hundert Prozent
Arabica Gold, versteht sich. Nichts anderes hat dieses Kunstwerk verdient.
Folglich müssen Sie das zelebrieren. Danach haben Sie in Ihrem
unterentwickelten Kunstverständnis einen Quantensprung vollzogen. Passen Sie
bloß auf meine formvollendete Tasse auf, wehe, die fällt runter! Dann sind Ihre
nächsten Gehälter verplant.«
    Schmunzelnd füllte der Commissario seine Tasse. Reiterers schräger
Humor, seine Schrulligkeit waren sein Markenzeichen. Sein Erscheinungsbild
passte perfekt dazu. Er war Anfang fünfzig, groß, eher hager, hatte kurze graue
Haare. Mit seinen blauen, ein wenig vorstehenden Augen sah er aus, als würde er
sich ständig selbst persiflieren. Seine Fähigkeit zur Selbstironie war der
Grund, warum sich kaum ein Kollege in der Questura von Reiterers Scherzen
beleidigt fühlte. Als Vincenzo sich setzte und dabei die Tasse mit etlichen
bewundernden Blicken würdigte, konnte er endlich sein eigentliches Anliegen zur
Sprache bringen, den letzten Anschlag des Feuerteufels.
    Mit dem Hinweis, dass er all das schon Marzoli erzählt habe, nahm
Reiterer unter lautem Schlürfen und mit geschlossenen Augen einen kleinen
Schluck Espresso. Vorsichtig stellte er die Tasse in der vorgegebenen Position
ab. »Das Übliche, Commissario. Stümperhaftes Vorgehen, Fingerabdrücke,
zweifelsohne ein Dilettant. Kommen wir zur Brandursache. Entsprechend meiner
außergewöhnlichen Fähigkeiten, ohne die diese Questura schon längst
dichtgemacht worden wäre, habe ich mich eines Analyseverfahrens bedient, das in
Italien niemand außer mir beherrscht. Ich habe eine Gaschromatografie mit einer
Massenspektroskopie kombiniert. Das Ergebnis meiner genialen Expertise ist
gleichermaßen seltsam, verblüffend, einzigartig, faszinierend und was Ihnen
sonst noch einfällt: C zwei H sechs O.«
    Vincenzo starrte Reiterer an. »C was?«
    »Wäre Zeit für die eine oder andere Fortbildung, Bellini, nicht
wahr? C zwei H sechs O, oder laienhaft ausgedrückt: Alkohol,
Spiritus, Weingeist, Ethanol.«
    »Das ist alles?«
    »Jawohl. Problemlos zu besorgen, kinderleicht in der Anwendung,
billig wie beim Grillen.«
    Reiterers breites Grinsen machte Vincenzo deutlich, dass er das
heutige Wortgefecht verloren hatte. Wenigstens einen kleinen Seitenhieb musste
er dem Leiter der Spurensicherung aber zum Abschied noch versetzen. »Vielen
Dank, Signore, das bringt mich ungemein weiter, großartig.« Vincenzo grinste
über das ganze Gesicht, deutete ein Klatschen an. »Eine abschließende Frage
habe ich aber noch. Wir haben uns eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, mein lieber
Reiterer. Kann es sein, dass Sie, nun, dass Sie etwas … etwas fülliger geworden
sind?«
    Ein Volltreffer, wie Reiterers wütendes Funkeln zeigte. »Dieses
dämliche Ding! Haben Sie eine Ahnung, was ein anständiger Crosstrainer kostet?
Fünftausend Euro habe ich dafür hingeblättert. Fünftausend! Ein Profigerät von
Life Fitness. Kaum zwei Jahre genutzt, schon ist es hin. Seit vier Wochen warte
ich auf diesen arroganten Kundendienst.«
    Vincenzo empfahl Reiterer übergangsweise die eine oder andere
Bergtour, aber der Experte für Espressotassen winkte ab. »Vergessen Sie’s.
Unter zwanzig Grad friere ich, ab einundzwanzig Grad schwitze ich. Außerdem
kann ich Mücken, Fliegen und was sonst noch draußen rumfliegt oder -kriecht auf
den Tod nicht ausstehen.«
    ***
    Forensische Psychiatrie
    Mit hängenden Schultern schlich Eusebio Zabatino durch die
verlassene Abteilung mit ihren nüchternen, kalten Gängen. Nicht einmal ein paar
Bilder lockerten die abstoßende, feindliche Atmosphäre auf. Jeder Schritt
hallte gespenstisch durch das triste Einheitsgrau. Putz bröckelte von den
Wänden. Sie nutzten diesen Bereich nur noch für »Sonderfälle«, wie sein Chef es
nannte. Die meisten Fachbereiche waren längst in die Räume der neuen
Psychiatrie umgezogen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis dieses
Gruselkabinett, das den perfekten Rahmen für Horrorfilme im Stil von »Freitag,
der 13.« geboten hätte, unwiderruflich geschlossen wurde.
    Die Umgebung entsprach Eusebio Zabatinos seelischem Zustand. Er war
ein desillusionierter Mensch. Als er vor langer Zeit Medizin studiert hatte,
war er noch voller Ziele gewesen, hatte Ideale. Er wollte kranken Menschen
helfen, gesund zu werden, am liebsten als niedergelassener Arzt. Geld war für
ihn zweitrangig. Im Laufe des Studiums musste er erkennen, dass er für

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