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Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Titel: Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Wardetzki
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wie ausgeliefert, wie paralysiert und litt entsetzlich. Ich kam in Kontakt mit einem großen Schmerz und starken Verlassenheitsgefühlen. Als hätten mich alle und die ganze Welt allein gelassen und wären gegen mich. Das war natürlich nicht so, fühlte sich aber so an.
    Ich spürte sofort die Ambivalenz der Begegnung: hingezogen zu einem Menschen, der mich im selben Atemzug abstieß, verunsicherte und mit meinen inneren Ängsten konfrontierte. Er erschien mir perfekt, im Mittelpunkt, von allen akzeptiert, glücklich und ohne einen Gedanken an ein Problem. Und ich glaube, er hatte auch keins oder spürte es zumindest nicht. Das Leid lebte ich, die Großartigkeit er. Ich litt so lange, bis ich mit einem mir vertrauten Menschen über meine Gefühle sprach und endlich aus mir rausgehen konnte. Die Unterstützung und Zuneigung halfen, die schlimmste Not zu lindern. Doch ich war erst entlastet, als er weg war und ich wieder zu mir kam.«
    Was war zwischen Ingeborg und Eberhard passiert? Es trafen sich zwei Menschen, die unbewusst, im Sinne von nicht reflektiert, spürten, dass sie sich vor dem anderen schützen mussten und zugleich den großen Wunsch verspürten, vom anderen anerkannt zu werden. Eine Ambivalenz, die in narzisstischen Beziehungen immer wieder anzutreffen ist. Als würden zwei Billardkugeln aufeinanderprallen und sich im selben Moment abstoßen.
    Die Bedrohung des Selbstwertgefühls wird in Schach gehalten, indem man Macht über den anderen gewinnt und sich subjektiv überlegen fühlt. Der andere wird dadurch kleiner, denn er verliert durch die fremde Definition den Kontakt zu sich selbst, was ihn erheblich schwächt. Die Folge ist eine Verunsicherung, die viele Menschen in Gegenwart von Narzissten erleben. Sie fühlen sich unfrei, spontan zu reagieren, kontrollieren ihr Verhalten, halten ihre Gefühle zurück, da sie sie als unangemessen erleben, versuchen, gut anzukommen und zu gefallen und denken hauptsächlich darüber nach, was dem anderen gefallen würde. Sie sitzen in der Falle des »expanded self« des anderen, weil es nicht mehr um ihre eigenen Bedürfnisse und Empfindungen geht, sondern um das Wohl des anderen. Dafür zu sorgen scheint vielversprechend zu sein, denn, wenn es dem anderen gut geht, haben sie sich richtig verhalten und werden dafür belohnt mit Harmonie, Zuwendung und dem Erhalt der Beziehung. Und das wirkt wie eine Bestätigung.
    Eberhard schützte sein Selbstwerterleben, indem er Ingeborg in sein ausgedehntes Selbst hineinzog. Das verlieh ihm Macht und ein subjektives Erlebnis von Erhöhung. Zugleich kam Ingeborg in die unterlegene Position, indem ihre Impulse ständig durch seine Definitionen überlagert wurden und sie so das Gefühl für sich selbst verlor. War sie wirklich so unsicher und nichtig, konnte sie ihm wirklich nichts entgegensetzen oder warum verhielt sie sich wie hypnotisiert? Irgendwie erlebte sie sich fremdbestimmt und konnte nicht mehr unterscheiden, ob das, was sie wollte und tat, von ihr kam oder geschah, weil er es ihr diktierte. Es gelang ihr jedoch, den Kontakt zu sich selbst so weit herzustellen, dass sie spürte, mit der Lösung der Situation überfordert zu sein und Unterstützung und Zuspruch zu brauchen. Hier setzte eine konstruktive Regulation ihres Selbstwertgefühls ein. Glücklicherweise waren an diesem Ort auch Menschen, bei denen sie sich sicher fühlte und auf Verständnis traf.
    Diese Tatsache ist meines Erachtens entscheidend, um sich aus dem Bann des »expanded self« zu befreien: den Kontakt zu sich herzustellen, die eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Impulse zu spüren und Menschen zu haben, die darauf verständnisvoll reagieren. Das kann eine Freundin/ein Freund sein, ein Geschwister, eine Therapeutin/ein Therapeut oder jeder andere vertraute Mensch.
    Eine Lösung im Kontakt mit dem Menschen zu finden, der das »expanded self« herstellt, scheint viel schwieriger oder sogar unmöglich. Denn wenn Ingeborg Eberhard ansprechen würde, dass sie sich eingeschränkt und von ihm klein gemacht fühlt, würde er entgegnen: »Was hast du nur, du kannst doch machen, was du willst.«
    Diese Antwort hilft nicht weiter, da sie weder wirkliches Verständnis für Ingeborg vermittelt, noch ihr die Möglichkeit gibt, bei sich anzukommen. Die unbewusste Machtdynamik zwischen ihnen wird nicht aufgelöst, sondern sogar verstärkt, denn mit diesem Satz überhöht er sich, indem er Ingeborg die Erlaubnis erteilt, so zu sein, wie sie ist. Und wieder definiert er

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