Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
gestellt wurde und sie sich wie »dumme Schuljungen und -mädchen« behandelt vorkamen. Ihren Zorn und ihre Kränkungsreaktion projizierten sie auf den Lehrer, der zum Stellvertreter der zu bekämpfenden gesellschaftlichen Instanz wurde. Um ihre Selbstwertschwächung zu kompensieren, mussten sie den Lehrer abwerten und sich über ihn stellen.
Ohne sich untereinander abzusprechen, bildeten sie ein »expanded self«, das sie vor dem Verlust ihrer Selbstachtung schützte und den Lehrer als inkompetent und ungerecht definierte. Wenn er sich vor der Gruppe lächerlich machte, konnten sich die Schüler überlegen fühlen.
Die Gruppe bildete eine solche negative Übermacht, dass Lothar unbemerkt ihre negative Definition von sich übernahm. Das konnte auch deshalb geschehen, weil Lothar dazu neigte, sich bei Kritik selbst infrage zu stellen. Daher kam er stark unter Druck. Statt sich wie sonst im Fluss zu fühlen, stockte nicht nur sein Atem, sondern auch die Vermittlung des Inhalts und der Dialog mit den Schülern. Er fing an, sich selbst schlecht zu bewerten und sich so inkompetent zu fühlen, wie es die Definition der Gruppe vorgab.
Zugleich fühlte er sich ausgeliefert, weil er sich in einer Double-bind-Situation befand. Denn einerseits bekam er den Auftrag, als Lehrer kompetent zu sein, auf der anderen Seite wurde er negativ definiert. Wie immer er sich entschied, er konnte es nicht recht machen. War er kompetent, fühlten sich die Schüler noch mehr gekränkt, war er inkompetent, füllte er die Lehrerrolle nicht aus. Was die Machtdynamik letztlich auflöste, war das Bewusstmachen dessen, was zwischen ihm und den Schülern passierte und das Ansprechen der aggressiven, gespannten und abwertenden Atmosphäre. Denn auch wenn die Schüler in der überlegenen Position waren, fühlten sie sich nicht entspannt und offen, sondern spürten wie Lothar den Druck und die Gereiztheit.
2. Woran erkennen Sie beim anderen, dass dieser ein »expanded self« mit Ihnen herstellt?
• Die andere Person zeigt sich von ihrer besten Seite.
• Sie erwartet, dafür von Ihnen idealisiert zu werden.
• Ihr Gegenüber definiert, wie Sie sein sollen, meist nonverbal.
• Ihr Gegenüber erwartet, dass Sie dieser Definition entsprechen, und reagiert negativ, wenn Sie das nicht tun.
• Verhalten Sie sich anders, als Ihr Gegenüber es erwartet, wird er/sie versuchen, Sie zu manipulieren oder zu entwerten.
• Oder es kommt sogar zu manifesten Auseinandersetzungen wie: lautstarken Streitereien, Anschuldigungen, Vorwürfen, starken Spannungen und schlimmstenfalls zum Beziehungsabbruch.
• Sie werden belohnt, wenn Sie bereit sind, »sein idealisiertes Selbstbild zurückzuspiegeln«. 20
• Sie erreichen diese Spiegelung durch ein Kompliment, eine Liebeserklärung, durch Verwöhnung, Bewunderung, Aufmerksamkeit, durch ein direktes Lob und recht geben.
• Oder Sie erreichen es dadurch, dass Sie so sind, wie Ihr Gegenüber Sie haben will und es dadurch Nutzen aus Ihnen zieht: beispielsweise der Stolz, den Ihre Partnerin für Sie empfindet, weil Sie die Ihnen zugedachte Rolle als toller Mann perfekt erfüllen und sie sich dadurch aufgewertet fühlt. Oder wenn Sie durch Ihre guten Ideen das Selbstwertgefühl Ihres Chefs stärken, der es als sein Verdienst verbucht, einen so kompetenten Mitarbeiter eingestellt zu haben.
• Fühlt sich Ihr Gegenüber durch Sie in seinem Idealbild bestätigt, entspannt sich die Beziehung und wird harmonisch.
• Ihr Gegenüber lässt Sie spüren, dass ihm Macht wichtig ist, und er schreckt auch nicht davor zurück, Sie zu unterwerfen.
Im Fall von Lothar ist der Mechanismus des »expanded self« an der Gruppe daran zu erkennen, dass sich die Teilnehmer als hoch kompetent ausgeben und scheinbar offen sind für den Unterricht. Das sind sie aber in Wirklichkeit nicht, denn sie kritisieren Lothar und geben ihm keine Chance, sein Wissen zu vermitteln, da die Gruppe es abwertet. Je mehr er darauf beharrt, den Teilnehmern etwas beibringen zu wollen, umso destruktiver reagiert die Gruppe. Zeigt sich Lothar am Boden, hilflos und als Versager, haben sie ihr Ziel erreicht und ihren eigenen Selbstwert durch den Sieg über Lothar zurückgewonnen.
3. Woran erkennen Sie bei sich, dass Sie ein »expanded self« mit einem anderen herstellen?
• Sie werden zum Sender, Ihr Gegenüber zum Empfänger.
• Sie sagen eher den anderen, wo es langgeht, anstatt dass man es Ihnen sagt.
• Notgedrungen hören Sie zu und tun so,
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