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Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Titel: Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Wardetzki
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zählte viel mehr. Es traf bei ihr auf ein zentrales, bisher unbefriedigt gebliebenes Bedürfnis. In ihrer Herkunftsfamilie lief es nämlich genau umgekehrt. Sie musste mehr für ihre Eltern sorgen als es diese für sie taten. Eine emotional instabile Mutter forderte ihre Unterstützung und auf den Vater war nie Verlass, geschweige denn, dass er für seine Familie sorgte. Liliane begann früh erwachsen zu werden und übernahm viel mehr Verantwortung, als sie tragen konnte. Ihre Tatkraft half ihr aber auch, ihrem Leben eine Richtung zu geben, und durch eine schulische Ausbildung und ein Studium bot sich ihr eine Erfolg versprechende Zukunftsperspektive. Und dann traf sie Paul, der für sie Halt, Förderung und Orientierung verkörperte.
    Paul war stolz auf seine Frau und ihre Karriere, lobte sie vor ihren Freunden und sonnte sich in ihrem Erfolg. Denn es war ja im Wesentlichen sein Erfolg, da er ihr Mentor war. Ihr Erfolg wurde zu seinem Erfolg, und das stärkte sein Selbstwertgefühl.
    Die Beziehung ging so lange gut, wie Liliane erfolgreich war. Zeigte sie jedoch Schwächen oder Angst, reagierte er mit Unverständnis und der Empfehlung, sie solle sich zusammenreißen. Denn auch er setzte diesen Maßstab an sich. Immerhin rackerte er sich ab, ihnen beiden ein gutes Leben zu bieten und ließ auch bei sich keine Schwächen zu.
    Wo er im Leistungsbereich Unterstützung, Vertrauen und Zuversicht versprühte, fehlte ihm auf dem emotionalen Sektor jegliche Einfühlung in seine Partnerin. Wie schon in ihrer Familie, musste sie erneut auf Verständnis verzichten und sich stattdessen allein durchbeißen. Doch im Laufe der Jahre hungerte Liliane emotional immer mehr aus und schließlich gab sie es ganz auf, von Paul die Zuwendung bekommen zu wollen, die sie sich wünschte. Was beide lange nicht spürten oder auch nicht wahrhaben wollten, war eine zwangsläufige Entfremdung, die auch noch dadurch unterstützt wurde, dass sie sich kaum sahen und fast keinen Alltag mehr miteinander lebten. Entweder war er auf Reisen oder sie unterwegs, und so blieben nur noch wenige Wochenenden oder der Urlaub, in dem sie zusammen waren. Sie fühlte sich immer verlorener neben ihm und trug sich mit dem Gedanken, sich von ihm zu trennen.
    Was war mit den beiden im Laufe ihrer Beziehung passiert?
    Für Liliane und Paul waren bei ihrer Partnerwahl zwei wichtige Faktoren ausschlaggebend: die Ähnlichkeit des Partners mit einem wichtigen Elternteil und das Versprechen, zur seelischen Stabilisierung des Partners beizutragen.
    Dieses Versprechen war für Liliane die Unterstützung und Förderung, der Halt und die Orientierung, die ihr immer gefehlt haben und die ihr Paul vermittelte. Er erfüllte ihr somit einen »Herzenswunsch« und erschien ihr dadurch der richtige Partner. Zugleich ähnelte er ihren emotional versagenden Eltern, die auch kein Ohr für ihre Nöte hatten. Auf der einen Seite wiederholte sich darin ihr Kindheitsdefizit, das aber durch das Versprechen auf der anderen Seite kompensiert und schöngefärbt wurde. Im Grunde hat sie bei Paul von Anfang an gespürt, was ihr fehlt, aber der Halt und die Unterstützung haben dieses Defizit scheinbar wettmachen können, jedoch nicht auf Dauer.
    Für Paul ist Liliane die richtige Frau, weil er sie fördern und formen kann und dadurch Kompetenz spürt. Das ist im Wesen die Pygmalion-Dynamik, bei der einer versucht, den anderen nach seinem Bilde zu formen. Wie in der literarischen Vorlage ist es auch im richtigen Leben nicht befriedigend, weil die Person, die »geformt« wird, sich ausgenutzt und emotional nicht verstanden fühlt, und der, der »formt«, mehr das Produkt liebt als die Person selbst. Die Lösung liegt darin, Pygmalion zu verlassen, um sich selbst zu finden. Liliane hat beschlossen auszuziehen, um eigenständig zu werden.

21. Die Pygmalion-Dynamik
    Das Stück von Pygmalion, das auch Grundlage für das Musical My Fair Lady ist, ist die Geschichte von Professor Henry Higgins, einem selbstherrlichen Sprachwissenschaftler, der wettet, ein einfaches Mädchen zur Herzogin der Londoner Gesellschaft machen zu können. Er bringt der armen Blumenverkäuferin Eliza Doolittle bei, mit dem Akzent der hohen Gesellschaft zu sprechen. In vielen Unterrichtsstunden übt sie, die richtige Aussprache zu treffen und eines Tages stellt Higgins sie bei einer Botschafterparty erfolgreich als Herzogin vor. Higgins, nur verliebt in seine Schöpfung, in das sprachliche Kunstwerk, das er geschaffen hat,

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