Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
und Anerkennung das Selbstgefühl bestätigt oder überhaupt erst konstituiert.« 34
Säuglinge und kleine Kinder gehen offen und interessiert auf die Umwelt zu und sind existenziell darauf angewiesen, gespiegelt und beantwortet zu werden, um ein Selbst und Selbstbewusstsein auszubilden. Selbstvertrauen entsteht über Anerkennung und Akzeptanz. Zuneigung und Interesse für andere entwickelt sich durch das Interesse und die liebevollen Reaktionen auf sich selbst.
Aus der Bindungstheorie wissen wir, dass narzisstische Verletzungen vor allem durch eine unsichere Bindung mit den Bezugspersonen entstehen. Das in der Kindheit erlebte Defizit elterlicher Unterstützung und Empathie führt bei später narzisstischen Persönlichkeiten zu unangemessenen Strategien der emotionalen Regulierung und Beeinträchtigungen des Selbstkonzepts. 35 Das Defizit entsteht im Wesentlichen durch Nichtbeachtung der kindlichen Person, sei es durch Überhöhung und Überforderung oder durch Entwertung und Vernachlässigung. Das Kind bekommt dadurch das Gefühl, allein gelassen zu sein, weil niemand da ist, der es unterstützt und beschützt und angemessen auf es reagiert. Im Erwachsenenalter kommt es dann in Verlassenheitssituationen zu Wutausbrüchen, die zweierlei ausdrücken: den Zorn über die Zurückweisung und den Ruf »Bitte komm, ich brauche dich«. Die Verletztheit und Sehnsucht nach Gesehen- und Verstandenwerden werden hinter der Aggression verborgen oder hinter der Haltung, niemanden zu brauchen und die Bedeutung von Bindungen zu verleugnen.
Eine sichere Bindung dagegen, bei der das Kind sich auf die Bezugspersonen verlassen kann, führt dazu, dass der Erwachsene sich auch bei Zurückweisung und Trennungen situationsangemessen verhalten kann. Da er nicht in Kontakt mit einem verletzten, hilflosen oder panischen Teil von sich kommt, kann er seine erwachsenen Funktionen leben. Bei Trennung bedeutet das, Abschied zu nehmen und zu trauern, bei Zurückweisung ist es das Aushalten von Frustration, aber auch die direkte Auseinandersetzung mit dem Gegenüber.
Die Qualität der frühen Bindungsbeziehungen und die darin erlebte Sicherheit oder Unsicherheit prägen das Muster, nach dem spätere Lebens- und Liebesbeziehungen gestaltet werden. Es bildet sich ein inneres Arbeitsmodell für Beziehungen. »Dieses Arbeitsmodell ist die inner-seelische Repräsentanz der realen frühen Bindungserfahrungen.« 36
Je dysfunktionaler dieses Arbeitsmodell, umso dysfunktionaler sind die späteren Beziehungen und Selbstkonzepte. Denn durch frühe zwischenmenschliche Interaktionsmuster werden wir zu der Persönlichkeit, die wir heute sind.
Dabei wirken drei Mechanismen: Introjektion, Internalisierung und Identifikation.
• Introjektion bedeutet: Wie du mir damals, so ich mir heute. Das heißt, so wie die Eltern mich früher gesehen und behandelt haben, so sehe und behandle ich mich heute. Wurde ich geachtet, achte ich mich. Wurde ich nicht gesehen, wie ich war, sehe ich mich nicht, wie ich bin.
• Internalisierung bedeutet: Du bist immer noch überall präsent. Durch die Internalisierung des elterlichen Verhaltens verhalte ich mich in meinen aktuellen Beziehungen so, als ob die Eltern immer noch anwesend wären. Sie schauen zwar nicht mehr von außen zu, wirken aber von innen. Alle elterlichen Ver- und Gebote, wie ich zu sein oder nicht zu sein habe, sage ich mir heute selbst. Ich verhalte mich immer noch wie als Kind.
• Identifikation bedeutet: Wie du damals mir, so ich heute den anderen. Durch die Identifikation mit den elterlichen Einstellungen und Verhaltensweisen verhalte ich mich anderen gegenüber so, wie ich von meinen Bezugspersonen behandelt worden bin. Wurde ich geachtet, achte ich die anderen. Wurde ich nicht gesehen und wurde nicht mitfühlend auf mich reagiert, sehe ich die anderen nicht und entwickle kein Mitgefühl für sie.
Diese drei Modalitäten bewirken, dass dysfunktionale Beziehungsmuster immer wieder wiederholt werden, auch wenn die Menschen selbst darunter leiden. Mit ihrer Bindungsbeeinträchtigung gehen sie in ihre Beziehungen hinein, verbunden mit großen Sehnsüchten und Ansprüchen an den Partner/die Partnerin, diese auszugleichen. Oder es resultiert aus ihr eine grundsätzliche Ablehnung von Beziehungen.
Oft ist den Menschen ihr spezifisches Arbeitsmodell gar nicht bewusst und sie erkennen ihren Anteil am Scheitern der Interaktion mit der Partnerin/dem Partner nicht, sondern bleiben stecken im Klagen über den
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