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Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)

Titel: Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Wardetzki
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respektiert weder Elizas Gefühle noch ihre Bedürfnisse, er lobt sie nicht und sieht sie nicht als gleichwertig an. Aufgrund dieser schlechten Behandlung verlässt Eliza ihn, ohne zu wissen, was sie tun wird. 40
    Die Geschichte über Pygmalion von George Bernard Shaw ist in der Psychologie unter dem Begriff »Erwartungseffekt« bekannt. Das bedeutet, dass die Erwartungen beispielsweise eines Lehrers bezüglich der Leistungen von Schülern sowohl seine Beurteilungen als auch deren tatsächliche Leistungen beeinflussen. Glaubt er an ihr Können, schneiden sie besser ab. Der Einzelne wird schließlich so, wie er vom anderen gesehen wird.
    Ich möchte diese Bedeutung erweitern um die narzisstische Thematik: Ein Mensch versucht, einen anderen nach seinem Bilde und Ideal zu formen und stärkt damit sein eigenes Selbst. Zwangsläufig wird der zu formende Mensch seiner Eigenart und Identität beraubt. Pygmalion, der »Macher«, liebt sein Werk mehr als die Person, die er formt. Er zwingt sie in sein »expanded self« und sie passt sich seinen Vorstellungen an, bewundert ihn und himmelt ihn an. Das ist sicher auch der Grund, weshalb sie sich auf eine solche Beziehung überhaupt einlässt. Denn je mehr sie versucht, so zu werden, wie er sie haben will, umso ähnlicher wird sie seinem Ideal und hat dadurch teil an seiner Großartigkeit. Das stärkt ihr Selbstwertgefühl, lässt sie größer und strahlender werden. Ein wunderbares Gefühl, in dem sie sich sonnen kann. Der Preis ist jedoch hoch, denn sie verliert sich selbst. Da ihr Blick nur auf den anderen und die Erfüllung seiner Ansprüche gerichtet ist, sieht und spürt sie sich selbst nicht mehr. Am Ende ist sie nicht mehr die Alte, aber auch noch keine Neue: für ein Blumenmädchen zu gebildet, für eine Frau von Stand zu arm. An diesem Punkt endet die Geschichte bei George Bernard Shaw. Dieses Ende ist jedoch im realen Leben der Anfang einer Suche nach der eigenen Identität. Wer bin ich denn wirklich? So armselig oder so großartig? Oder vielleicht noch ganz anders? Und wer ist mein Partner? Der anzuhimmelnde Meister oder der ausbeuterische Besserwisser? Einer, der mich braucht, oder einer, der mich liebt?
    In diesen Momenten der Unsicherheit und Verwirrung kommen häufig die Frauen zu mir in die Praxis und hoffen zum einen, sich selbst zu finden, zugleich aber auch, die Beziehung zu retten. Denn eine gleichwertige Partnerin ist in der Pygmalion-Dynamik nicht vorgesehen. Wie soll ein Mann, der Mentor für seine Frau ist, brillieren, wenn er ein ebenbürtiges Gegenüber hat? Sein Gelingen hängt von der Ungleichgewichtigkeit der Beziehung ab: Pygmalion oben, der bewundert wird, und die Partnerin unten, die sich seinem Bild anpasst. Shaw bietet keine andere Lösung als die Trennung, weil die Liebe fehlt und die narzisstische Befriedigung im Vordergrund steht. Anders bei der Version von Ovid, bei dem die Liebe siegte. 41 Er liebt die von ihm geschaffene Figur mehr als sich und bittet die Göttin der Liebe, sie lebendig zu machen. Sein liebender Blick erweckt sie sozusagen zum Leben.
    Ich halte diese Tatsache für den springenden Punkt: Wenn die Selbstverliebtheit und Selbstbespiegelung des Schaffenden einem liebenden Blick auf die Frau weicht, so wie sie ist, bekommt die Beziehung eine Chance. Denn dann kann auch die Geschaffene liebend den Mann erwecken. Anders, wenn die Partnerin in erster Linie der Selbstwerterhöhung des Mannes dient. Dann ist die Trennung fast unausweichlich. Denn um sich selbst zu finden, muss die Frau sich von den Erwartungen des Mannes lösen und ihre eigene Ausdrucksform finden. So wie Eliza, das Blumenmädchen am Ende ihre eigene Sprache und den Ort finden muss, wo sie hingehört. Da dieser Schritt eine Zurückweisung der Vorstellungen des Partners bedeutet und Gleichwertigkeit in der Beziehung voraussetzt, wird sie diesen Weg nur allein finden können. Es sei denn, der Partner lässt sich auf eine gemeinsame Veränderung ein und ist bereit, um der Beziehung willen seine Selbstbespiegelung aufzugeben.
    Pygmalion muss aber nicht immer der Mann sein. Es gibt viele Beziehungen, in denen die Frau von Anbeginn weiß, was sie an ihrem Partner ändern möchte: »Wenn wir erst mal zusammen sind, dann werde ich ihm die Dinge schon abgewöhnen, die mich stören«, höre ich die Frauen oft sagen. Entweder glauben sie, ihn durch ihre Liebe zu einem anderen machen zu können oder sie wenden Manipulation, Vorwürfe oder Erpressungsversuche an.
    In vielen

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