Ekel / Leichensache Kollbeck
worden ist. Da die Verletzungen nicht so erheblich sind, vermuten die Obduzenten, daß als Verursacher nur ein kleines Motorboot in Frage kommt.
Wichtige Hinweise erhalten sie aus dem zahnärztlich gewissenhaft versorgten Gebiß und den Zahnprothesen der Toten. Zähne und deren Ersatz sind sehr widerstandsfähig und eignen sich deshalb für die Identifikation besonders gut. Die Bestimmung des Zahnstatus der unbekannten Toten bereitet keine Schwierigkeiten. Die fortgeschrittenen Leichenerscheinungen erschweren die Feststellung der Todesursache. Doch nach der Untersuchung der Organe in der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle gelangen die Männer zu dem Schluß, daß die Betreffende ertrunken sein muß. Ihre Liegezeit im Wasser wird auf 2 bis 3 Monate geschätzt und dürfte den Befunden nach mit der Todeszeit identisch sein. Ob aber ein Unfall oder ein Selbstmord den Ertrinkungstod verursacht hat, läßt sich aus den Befunden nicht ableiten. Es finden sich auch keine Anhalte für die Einwirkung einer fremden Hand. Dennoch schließt dies nicht aus, daß die Betreffende sehr wohl gewaltsam ins Wasser geraten sein kann. Dies zu klären, erfordert kriminalistische Feinarbeit.
Die Knochenstruktur, der Zustand der inneren Organe und der Abkauungsgrad der Zähne lassen zuverlässige Schlußfolgerungen über das Alter der Frau zu.
Nach der Obduktion verfügt Jenning über wertvolle identifikatorische Hinweise über die Tote. Sie dürften ausreichen, um eine vermißte Person sicher zu bestimmen: Danach müßte die Frau 165 cm groß, zwischen 50 und 60 Jahre alt und von schlanker Gestalt sein. Ihr Gebiß wurde zahnärztlich ordnungsgemäß saniert, der Zahnstatus sicher bestimmt. Sie war zuletzt bekleidet mit kariertem Rock und dunklem Pullover. Am rechten Handgelenk trug sie eine Armbanduhr schweizerischer Produktion mit hellem Zifferblatt. Ihr relativ guter Zustand bietet optimale Bedingungen für eine mögliche Wiedererkennung durch andere Personen.
Die Knochenverdickungen am rechten Unterarm beweisen, daß die Frau vor vielen Jahren einen Radiusbruch erlitten hat.
Der Status „Unbekannter Toter“ zwingt schon ganz allgemein, also unbhängig davon, ob eine natürliche oder nichtnatürliche Todesart vorliegt, zu kriminalistischen Ermittlungen. Sie ergaben sich in der DDR aus § 94 StPO und § 5 der Anordnung über die ärztliche Leichenschau. Insofern war die Leiche eines Unbekannten dem nichtnatürlichen Tod gleichgestellt. Demzufolge wurde sie staatsanwaltlich beschlagnahmt und gerichtsmedizinisch obduziert
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Die Maßnahmen der Identifizierung verlaufen relativ selbständig und parallel zu anderen notwendigen Ermittlungen. Sie sind Voraussetzung für die Aufdeckung von Tötungsdelikten, Unfällen, Vermißtensachen und Selbstmorden und dienen gleichzeitig der Lösung zivil- oder versicherungsrechtlicher Fragen
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Ausgangspunkt für die Identifizierung bilden besonders die gespeicherten kriminalistischen Ergebnisse über Vermißte, die gerichtsmedizinischen Befunde und die stomatologischen Daten über eine Person. Den allgemeinen Ausgangspunkt für die Identifizierung unbekannter Toter bilden die nach dem Tode noch auswertbaren, individuellen Merkmale der Leiche, ihrer Bekleidung und der mitgeführten Gegenstände. Sie werden im Zusammenwirken zwischen Polizei, Gerichts- und Zahnärzten durch Vergleichsarbeit mit den vor dem Tode des Betreffenden bekannt gewordenen Merkmalen in Übereinstimmung gebracht und führen so zu zweifelsfreier Personenfeststellung. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die späte Identifikation der sterblichen Überreste des berüchtigten KZ-Arztes Josef Mengele, die neben anderen Methoden auch über den Zahnstatus erfolgte
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Der Identifikationsprozeß bei unbekannten Toten vollzieht sich meist über den direkten Vergleich körperlicher Merkmale mit den sog. Signalementsangaben aus Vermißtenanzeigen, Zeugenaussagen, Krankengeschichten, Zahnarztkarteien und anderen polizeilichen Ermittlungsergebnissen. Eine große Bedeutung kommt dabei dem Gesicht als Zentrum der Wiedererkennung zu. Da aber Leichenerscheinungen und Gewalteinwirkungen die Physiognomie extrem verändern können, ist die unmittelbare Identifizierung durch direkte Wiedererkennung nur in seltenen Fällen möglich. Das gilt auch bei nur kurzer Liegezeit der Leiche, wenn keine erheblichen Verletzungen vorhanden sind und die Konfrontation mit Zeugen zumutbar ist. Mitunter ist die Herstellung der lebenswahren Physiognomie durch eine
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