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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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Die Identifikation muß exakt bewiesen und dokumentiert werden, der Ehemann Frau Kollbecks benötigt eine Sterbebescheinigung von den DDR-Behörden. Sie kann erst ausgestellt werden, wenn die Geburtsurkunde vorliegt. Zu allem Unglück ist diese verlorengegangen. Frau Kollbeck wurde in Berlin geboren und wohnte bis in die 40er Jahre hinein im Stadtbezirk Schöneberg. Sie heiratete während des Zweiten Weltkrieges den jungen Lehrer Arno Kollbeck. Zu diesem Zwecke durfte er für wenige Tage die Ostfront hinter sich lassen. Doch die Reichshauptstadt wurde bereits von den ersten Luftangriffen erschüttert. Ihr Haus wurde das Opfer einer Brandbombe. Unter den Trümmern befand sich auch ihre Geburtsurkunde. Das war für die Frau unbedeutend. Daß sie das Inferno überstand, war viel wichtiger. Mit ihren wenigen Habseligkeiten zog sie zu den Verwandten des Gatten in einen Vorort von Hamburg.
    Dr. Kollbeck bemüht sich beim Standesamt Berlin-Schöneberg um die Geburtsurkunde seiner Gattin. Die Antwort ist unbefriedigend: Es gibt keinen Nachweis über sie, der die Ausstellung des Dokuments rechtfertigt. Wenigstens kann im standesamtlichen Namensverzeichnis Frau Kollbecks Geburtsregisternummer ausfindig gemacht werden. Dr. Kollbeck wird an das zentrale Berliner Standesamt 1 in der Berliner Rückertstraße verwiesen. Doch das liegt im Ostteil der Stadt. Wieder ist ein zeitraubender Briefwechsel mit den Behörden erforderlich. Ein makabrer bürokratischer Vorgang nimmt seinen Lauf: Seit Monaten ist Frau Kollbeck tot. An ihrer Identität besteht kein Zweifel. Ihr Tod kann aber nicht beurkundet werden, weil sie, bürokratisch gesehen, nicht geboren ist. Längst wurde der Leichnam eingeäschert. Nun warten die sterblichen Überreste auf eine würdevolle Bestattung. Aber, ohne Geburtsurkunde keine Sterbeurkunde, ohne Sterbeurkunde keine Bestattung, kein Sterbegeld der Krankenkasse und keine Auszahlung der schon viele Jahre bestehenden Lebensversicherung. Verzweifelt bemüht sich Dr. Kollbeck in den nächsten Monaten um den Nachweis der geburtlichen Existenz seiner Gattin.
    Dann endlich: Am 10. März 1963 liegt die Geburtsurkunde bei der Obersten Staatsanwaltschaft der DDR vor. Sie übersendet das Dokument an das Ministerium des Innern. Von dort gelangt es an die BdVP Rostock. Diese ersucht das VPKA Grevesmühlen, beim dortigen Standesamt die Sterbeurkunde für Frau Kollbeck ausstellen zu lassen. Dort arbeitet man zügig, die Papiere sind schnell fertig. Sie werden auf dem gleichen Wege zurückbefördert. Und während sich die Aktendeckel der Leichensache Kollbeck in der BdVP Rostock am 2. April 1963 schließen, durchlaufen die ersehnten Dokumente immer noch die behördlichen Stationen.
    Erst Ende April 1963, also anderthalb Jahre nach dem Selbstmord seiner Frau, kann Dr. Kollbeck amtlich nachweisen, daß sie verstorben ist.
    Der Tod im Wasser ist zumeist ein unfallbedingtes Geschehen. Als Suizidmittel findet das Ertrinken mit einem Anteil von 4,4 Prozent relativ wenig Anwendung, wird aber dann von Frauen bevorzugt. Die meisten suizidalen Ertrinkungstodesfälle geschehen in der Badewanne. Fließende oder stehende Gewässer im freien Gelände werden seltener benutzt. Suizidales Ertrinken zählt zu den Durchführungsarten, bei denen meist verschiedene Tatmittel kombiniert werden, etwa mit Pulsaderschnitt, Einnahme von Alkohol, Schlafmitteln oder anderen Giften. Manche Suizidenten fesseln sich oder beschweren sich mit Gegenständen, um unwillkürliche Schwimmbewegungen zu vereiteln
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    Der sog. klassische Ertrinkungstod tritt nach etwa 4 Minuten ein. Er ist eine Sonderform des Erstickens. Jedoch kann der Tod auch wesentlich schneller, mitunter sogar reflektorisch eintreten, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen, wie beispielsweise Kälteeinwirkung des Wassers
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    Bei der gerichtlichen Obduktion kann im Regelfall nur der Ertrinkungstod diagnostiziert werden. Der Ausschluß oder Nachweis eines Unfalls oder gar eines Tötungsverbrechens ist jedoch Sache der Polizei. Die den Ertrinkungstod verursachenden Einflüsse bewirken häufig ein so uncharakteristisches, mehrdeutiges Spurenbild, daß die kriminalistische Sachaufklärung oft besonders schwierig ist
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Der Täuscher
    Donnerstag, der 9. März 1972. Am späten Vormittag in der BdVP Suhl. Hauptmann der K Wunderlich, 43, Leiter der MUK und als passionierter Jäger für immer mit seiner Thüringer Heimat verbunden, spannt einen Bogen Papier in die Schreibmaschine: Ein kurzes, aber

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