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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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Messer. Dann stemmt er ein Ende des Brettes gegen den unteren Schenkel des Fensterrahmens. Das andere Ende fixiert er mit dem Brustkorb, etwa in der Höhe, in der das Messer in den Leib Schedlows stieß. Als er den Abzug betätigt, erzeugt der mit erstaunlicher Rasanz nach vorn schnellende Gummi eine solche Wucht, daß das Brett sich aus der losen Fixierung am Fensterschenkel löst und nach draußen zwischen die Brennesseln fällt.
    Diese Prozedur wird mehrmals wiederholt. Und jedesmal kippt das Katapult nach hinten aus dem Fenster. Dann wird das Tatmesser in die Vorrichtung eingespannt, um dessen Durchschlagskraft zu testen. Der Gummizug des selbstgebastelten Apparats produziert tatsächlich eine so immense Kraft, daß das Messer mühelos in einen mit Sägemehl gefüllten Sack eindringt. Also kann damit auch ein menschliches Brustbein durchstoßen und die Klinge bis zum Schaft in den Körper getrieben werden. Dies alles ist so überzeugend, daß am Selbstmord des alten Max Schedlow niemand mehr zweifelt. Aber warum er sich das Leben nahm, blieb ungeklärt.
    Fall 4:
    Berlin im Jahr 1962. Azurblauer Himmel und eine behagliche Kühle liegen über der Stadt. Ein sonnenklarer Sommertag kündigt sich an. Es ist kurz vor 6.00 Uhr. Schon seit einer guten halben Stunde parkt am Eckhaus Kreutziger-/Boxhagener Straße ein unauffälliger, schwarzer EMW 340, ein im Eisenacher Motorenwerk nachgebauter BMW. Drei Männer in hellen Sommeranzügen sitzen darin und rauchen. Der Ältere der drei sieht auf seine Armbanduhr. Es ist jetzt Punkt sechs. Er sagt zu den anderen: „Los geht’s!“
    Eilig drücken die Männer ihre Zigaretten aus und verlassen das Fahrzeug, überqueren die Straße und verschwinden im gegenüberliegenden Haus. Hinter der Haustür entsichern sie ihre Pistolen des Typs Walther PP und steigen behutsam, ohne ein Wort zu wechseln, in die dritte Etage. Noch liegt frühmorgendliche Stille über dem Haus. An der Wohnungstür mit dem Namensschild „Wildenhain“ bleiben sie stehen. Der Ältere hält ein bedrucktes, rosafarbenes Blatt Papier in der Hand und klingelt. Die beiden anderen Männer haben sich, dicht an die Wand gedrückt, zu beiden Seiten der Tür postiert, die Waffen im Anschlag. In der Wohnung sind Schlurfgeräusche und ein undeutliches mürrisches Brummeln zu hören. Schließlich wird die Tür geöffnet. Ein mittelgroßer Blondkopf, etwa Ende Zwanzig, bekleidet mit einer Turnhose, blickt verschlafen und miesepetrig aus seinem blassen, unrasierten Gesicht und starrt den Fremden entgeistert an, der ihn gleich fragt: „Rudolf Wildenhain?“
    Der Angesprochene nickt. Der Fremde zeigt die Kriminalmarke. Seine Stimme wird lauter und schärfer: „Kriminalpolizei! Ziehen Sie sich an. Sie sind verhaftet!“
    Durch die überraschende Attacke ist der Blondkopf hellwach, schluckt ängstlich, will etwas erwidern. Doch da springen die beiden anderen Kriminalisten hervor und drängen ihn mit vorgehaltenen Pistolen in das Innere der Wohnung. Er kann nur noch stammeln: „Aber warum denn?“
    Der Ältere hält Wildenhain das rosa Schreiben vor die Nase: „Wegen dringenden Verdachts des Mordes an Ihrer Frau. Hier ist der Haftbefehl!“
    „Aber es war Selbstmord, Sie haben doch den Abschiedsbrief meiner Frau. Der ist echt, das können Sie mir glauben“, wimmert Wildenhain jammervoll.
    „Klar ist der echt, nur Ihr Alibi nicht“, erwidert einer der Männer.
    Wenig später fährt die schwarze Limousine mit dem Verhafteten in Richtung Alexanderplatz. Inzwischen füllen sich die Straßen mit Menschen. Der Berufsverkehr beginnt. Es ist kurz nach halb sieben, als der Wagen die Einfahrt zum Hof 3 des VP-Präsidiums passiert. Hinter ihm schließen sich die schweren Tore. Von nun an wird Rudolf Wildenhain viele Jahre lang Gast der Haftanstalten sein.
    Und dabei begann alles so, als böte der Zufall ihm eine elegante Lösung an, sich aus den ehelichen Fesseln zu befreien. Denn: Seit langem trug er sich mit dem Gedanken der Scheidung von Erika, seiner Frau. Sie waren charakterlich zu unterschiedlich, paßten einfach nicht zusammen. Nichts stimmte zwischen ihnen. Schon kurz nach den Flitterwochen begann der Rosenkrieg.
    An Kleinigkeiten rieben sie sich auf. Wenn ihm etwas nicht paßte, und er daraus keinen Hehl machte, war sie ihm wochenlang böse. Sie nörgelte ständig herum, daß er unordentlich sei. Ihm wiederum ging ihr Putzfimmel so auf den Geist, daß er sich aus Ärger stundenlang in den Kneipen der Umgebung herumtrieb.

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