Ekel / Leichensache Kollbeck
10jährigen Sohnes Benjamin wird wegen Todes des Verdächtigen abgesehen.“
Die wahren Vorgänge der letzten Tage, die sich in der Wohnung von Werner Teichmann abgespielt haben, werden im einzelnen wohl verborgen bleiben. Doch den psychopathologischen Erkenntnissen und vorgefundenen Spuren zufolge dürften sie sich wie folgt zugetragen haben:
Die Lebens- und Leidensgeschichte des alkoholkranken Werner Teichmann vermittelt ausreichende Indizien für die Annahme, daß der Wille zur Beendigung des eigenen Lebens vorherrschte und nicht etwa die Tötung des Sohnes, mit dem ihn eine innige Zuneigung verband. Doch seine krankhaft eingeschränkte Gedankenwelt produzierte die absurde Vorstellung, daß, falls er sich getötet hat, sein kleiner Sohn Benjamin allen Übeln dieser Welt hilflos ausgeliefert sei. Vermeintliches Erbarmen war das Motiv, ihn in den Tod mitzunehmen. So erdrosselte er das schlafende Kind. Tagelang lebte er dann noch bei dem toten Sohn. Er legte seine Ausweise bereit, kritzelte die Anschrift seiner Tochter auf einen Zettel, damit diese benachrichtigt werden konnte. Sodann versuchte er, sich die Pulsadern zu öffnen. Dabei hielt er den rechten Arm über eine Schüssel. Es floß auch etwas Blut aus den Adern, die sich aber wegen des Blutdruckabfalls bald wieder schlossen. Als dieser Versuch mißlang, fügte er sich die tiefen Stichverletzungen im Oberbauch zu. Sie führten zwar zu inneren Blutungen, brachten aber letztlich nicht den ersehnten schnellen Tod. Nun legte er sich eine Schlinge um den Hals, befestigte sie an einem Haken an der Decke des Korridors, bestieg einen Hocker und ließ sich in die Schlinge fallen. Wenige Sekunden später verließ ihn das Bewußtsein. Den kurzen Todeskampf seines Körpers verspürte er nicht mehr.
Hätte Werner Teichmann überlebt, wäre er für die Tötung seines Sohnes wegen Totschlags strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Allerdings sah das Gesetz in einem solchen Falle der psychischen Zwangslage eine erhebliche Minderung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit vor und erlaubte dem Gericht ein Urteil innerhalb des weitgefaßten Strafrahmens von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug.
Der allgemein übliche, aber stigmatisierende Begriff des Selbstmordes ist juristisch ebenso falsch wie aus psychologischer Sicht das Synonym Freitod. Im ersten Fall fehlen die für einen Mord erforderlichen Tatbestandsmerkmale, nämlich, aus verwerflichem Grund, auf verwerfliche Weise oder zu einem verwerflichen Zweck einen anderen Menschen zu töten. Im zweiten Fall wird der Begriff den gewaltigen inneren Zwängen, die einer Selbsttötung zu Grunde liegen, nicht gerecht, weil eine wirklich freie Entscheidung nicht möglich ist.
Der neutrale Begriff der Selbsttötung oder des Suizides als vorsätzlich tödliche Handlung gegen sich selbst, kommt dem Wesen dieses Geschehens wohl am nächsten.
Die komplizierten Ursachengefüge für die unterschiedlichen Suizidsituationen sind Gegenstand komplexer wissenschaftlicher Untersuchungen. Im allgemeinen werden Suizide sowohl aus psychopathologischen als auch bestimmten, im Grunde nicht krankhaften Ursachen begangen. Sogar erblich bedingte Dispositionen werden diskutiert. Angstzustände und andere, den Lebensbezug beeinträchtigende Faktoren können zu subjektiv nicht mehr zu bewältigenden Konflikten und zwangsläufig damit zu kurzschlußartigen oder langfristig geplanten Suiziden führen.
Suizide sind im allgemeinen keine strafrechtlich bedeutsamen Ereignisse, vorausgesetzt, daß kein anderes rechtlich geschütztes Objekt verletzt wird. Allerdings verlangen Suizide im Hinblick auf den Ausschluß eines Tötungsdelikts grundsätzlich ein kriminalistisches Interesse. Sie zählen neben den Unfällen zur Kategorie der nicht natürlichen Todesfälle, deren Untersuchung strafprozeßrechtlich zwingend vorgeschrieben ist.
Die einzelnen suizidalen Durchführungsarten jedoch können unterschiedliche rechtliche und kriminalistische Konsequenzen erlangen. Nach ihnen erfolgt auch ihre praktische Unterteilung:
Der sogenannte einfache Suizid ist dadurch gekennzeichnet, daß der Suizident die Selbsttöung geplant hat, ein Tatmittel wählt und zur Realisierung seines Vorhabens entsprechende Vorbereitungen trifft (Sicherheitsvorkehrungen, Abschiedsbriefe usw.). Daraus ergibt sich ein überschaubares kriminalistisches Spurenbild, das in der Regel keine untersuchungsmethodischen Probleme bereitet. Beim sogenannten gemeinsamen Suizid
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