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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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müssen die kriminalistischen Untersuchungen den Nachweis erbringen, daß der gemeinsame Vorsatz mehrerer Personen zum Suizid bestand. Die Differenzierung der Handlungsbeiträge der Betreffenden muß gewährleisten, daß eine vorsätzliche Tötung und der nachfolgende Suizid des Täters sicher ausgeschlossen werden kann.
    Beim sogenannten kombinierten Suizid werden verschiedene Tötungsarten miteinander verknüpft oder erfolgen nacheinander. Dadurch entsteht mitunter ein kompliziertes Spurenbild, dessen einzelne Bestandteile im Falle eines verschleierten Tötungsdelikts schwer zu erkennen sind.
    Strafrechtlich bedeutsam kann vor allem der sogenannte erweiterte Suizid sein. Er liegt dann vor, wenn ohne Bereitschaft oder Einverständnis andere Personen in den Suizid einbezogen werden. Hierbei sind in die suizidale Gedankenwelt des Betreffenden Tendenzen zur Mitnahme angeblich bedrohter oder gefährdeter Personen eingeschlossen. Im Falle des Mißlingens, d. h. bei möglichem Überleben des Suizidenten und Tod des Mitgenommenen, sind strafrechtliche Konsequenzen unumgänglich.
    Die Untersuchungen zur Suizidproblematik in der DDR zeigen, daß der Anteil des Mannes gegenüber der Frau überwog. Bei vielen Suizidenten konnte aus der Vorgeschichte mindestens ein früherer Versuch festgestellt werden. Bei den Tötungsarten dominierten die Kohlenmonoxidvergiftung, das Erhängen, die Schlafmittelvergiftung und der Sturz aus der Höhe bzw. vor Fahrzeuge, während andere Mechanismen wie Ertrinken, Erschießen, Pulsaderschnitt eher die Ausnahme bildeten.
    Hinsichtlich der Ursachen traf zu, daß psychopathische und psychopathologische Dispositionen eine große Rolle beim Zustandekommen der Suizidneigung spielten. Angst vor vermeintlichen oder tatsächlich vorhandenen Krankheiten, subjektiv oder objektiv bedingte Vereinsamungsgefühle, nicht bewältigte Partnerschaftskonflikte und chronischer Alkoholismus bzw. Medikamentenabusus waren die Hauptmotive.
    Die vollendeten Suizide bildeten mit einer Anzahl von 3 500 pro Jahr durchaus keine Seltenheit. Das bedeutete eine Häufigkeitsbelastung von 22 Suiziden auf 100 000 Einwohner. Damit überstieg sie die der Bundesrepublik um 3, lag jedoch deutlich unter der Westberlins, die mit 33 europäisches Spitzenniveau erreichte.
    Obwohl in vieler Hinsicht sich das Suizidgeschehen in der DDR nicht von dem anderer Länder unterschied, unterlag es einer strengen Tabuisierung. Aus ideologischen Gründen gab es weder offizielle statistische Angaben noch öffentliche Diskussionen.
    Die Zahlen über die durch die Volkspolizei untersuchten vollendeten Suizide wurden im Ministerium des Innern als „Vertrauliche Verschlußsache“ geheimgehalten.
    Lediglich jene psychotherapeuthischen Einrichtungen, deren Arbeitsgegenstand die Suizidgefährdung bildete, verfügten über umfangreiches Patientenmaterial, mit dem die Forschung auf dem Gebiet der Suizidprophylaxe vorangetrieben wurde. Man kann annehmen, daß die Anzahl der suizidgefährdeten Personen acht- bis zehnmal größer war als die der vollendeten Suizide, wenn man von einer noch wesentlich höheren Dunkelziffer absieht. Aber auch die mannigfaltigen Versuche der Psychologen, das Suizidproblem öffentlich zu diskutieren, blieben angesichts der aufgezwungenen Zurückhaltung eher bescheiden. Und es war schon ein großer Erfolg, als Mitte der achtziger Jahre in einigen Großstädten anonyme Beratungsmöglichkeiten über das sogenannte Telefon des Vertrauens geschaffen werden konnten.

Die Verlobten von Wolmirstedt
    (Aktenzeichen 5023/75 VP-Kreisamt Magdeburg)
    Montag, 09.06.1975, zum Dienstbeginn 07.30 Uhr, BDVP Magdeburg
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    Gero Förster, 34, Diplomkriminalist, Leiter der MUK, hat es eilig. Seine rechte Hand umfaßt eine mäßig gefüllte Akte und ein orangefarbenes Aufzeichnungsheft mit dem deutlichen Stempelaufdruck „Vertrauliche Dienstsache“. Die andere Hand am Treppengeländer hastet er hinunter in die Chefetage, in der Oberstleutnant Rüttig residiert. Dort verlangsamt er sein Tempo und schreitet betont ruhig den Gang entlang, vorbei an der „Tafel der Besten“ mit den Konterfeis der im letzten Jahr ausgezeichneten Volkspolizisten der Bezirksbehörde.
    Am Vorzimmer von Rüttig hält er inne, klopft kurz an und tritt ein. Zwei Frauen vor breitwagigen „Optima“-Schreibmaschinen mustern ihn erstaunt und ein wenig mitleidig.
    „Hat vor fünf Minuten schon angefangen“, raunt ihm die eine zu und weist mit dem hochtoupierten Kopf gegen die

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