Ekel / Leichensache Kollbeck
des Vorjahres auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt Christbäume verkauft hat. Ihre Ehe sei damals schon ziemlich kaputt gewesen. Die ständige Trinkerei ihres Mannes habe zu immer mehr zermürbenden Streitigkeiten geführt. Sie war jedes Mal froh, wenn er montags in der Frühe wieder nach Klötze fuhr. Dann hatte sie Ruhe bis Freitag Nachmittag. Kurz vor Weihnachten habe das Ehepaar Einbecker den Jugendlichen Falk Scheuner kennengelernt. Er hatte sie beim Verkauf der Weihnachtsbäume tatkräftig unterstützt und sich damit ein Taschengeld hinzuverdient. Einbecker würdigte die Leistungen und lud den Jungen zum zweiten Weihnachtsfeiertag nach Wolmirstedt ein. Falk kam auch und blieb bis zum nächsten Morgen. Marianne Einbecker hatte den Eindruck, daß die Anwesenheit von Scheuner die Streitsucht ihres Mannes drosselte. Einbecker verstand sich gut mit ihm, auch wenn Falk nicht so viel trank wie er. Silvestervormittag erschien Falk Scheuner wieder bei ihnen. Er war niedergeschlagen, hatte sich ernsthaft mit seinem Vater gestritten und wollte nicht mehr nach Hause. Einbecker habe in Absprache mit ihr dem Falk bereitwillig angeboten, künftig bei ihnen wohnen zu können. So sei es bis heute geblieben.
„Ist denn Falk zu Hause?“ will Förster wissen.
„Nein, aber er müßte jeden Augenblick kommen. Er wollte bei einem Freund das Moped reparieren“, erwidert Marianne Einbecker. Förster schaut auf seine Armbanduhr: „Können wir solange warten?“
Diese Frage war höchst lästig, die Frau bejaht sie mit Widerstreben.
Förster fragt weiter: „Haben Sie noch persönliche Sachen von Ihrem Mann?“
„Nein, ich habe alles, was er hier gelassen hat, verkauft.“
„Sind Sie sicher, daß er sie später nicht wiederhaben will?“
„So ziemlich.“
Hotte mischt sich ein: „Darf ich mich ein bißchen umsehen?“
Die Frage ergänzt er auf der Stelle: „Keine Durchsuchung! – Nur Besichtigung!“
Resigniert nickt Marianne Einbecker. Und Hotte läßt einen intensiven Blick durch das Wohnzimmer streifen, beäugt das Mobiliar wie ein Museumsbesucher, gemächlich von Exponat zu Exponat schreitend. Beiläufig fragt er: „Haben Sie eine Datsche, ein Wochenendgrundstück?“
Sie verneint. Hotte setzt fort: „Eine Abstellkammer?“
„Nein, aber einen Keller“, antwortet sie wie gelähmt.
„Darf ich den auch mal sehen?“
Jetzt ist es ihr zu viel. Sie entrüstet sich: „Warum das? – Meinen Sie, er liegt da? Verdächtigen Sie mich …?“
Hotte fällt ihr ins Wort: „Nun bleiben Sie doch ruhig! Es ist doch nur eine Routinemaßnahme. Das machen wir in jedem Vermißtenfall so. Wir besichtigen alle möglichen Aufenthaltsorte …, natürlich nur, wenn Sie keine Einwände haben“, setzt er hinzu, wohl wissend, daß er keinen richterlichen Durchsuchungsbeschluß vorweisen könnte. Marianne Einbecker überlegt: Wie soll ich reagieren? Ein Nein würde sie nur verdächtig machen. Aber ein leichtfertiges Ja vermag sie ebenfalls nicht über die Lippen zu bringen. So sehr sie sich auch bemüht, sie findet keine plausiblen Ausflüchte. Deshalb zögert sie mit der Antwort, sagt dann aber: „Ich hole die Schlüssel!“
Und sie geht aus dem Zimmer. Wieder überlegt sie: Ob beide mitgehen, wenn ich in den Keller gehe? Oder bleibt einer zurück und schnüffelt herum? Sie entscheidet sich für das geringere Übel – und übergibt Hotte die Schlüssel: „Ich muß ja nicht mitgehen. Rechter Gang, der nächste Keller hinter der Waschküche.“
Hotte geht. Und Marianne Einbecker bleibt. So ist es ihr allemal recht. Was soll der Bulle schon im Keller finden? Alles ist aufgeräumt, alles ist in Ordnung.
„Wollen Sie einen Kaffee?“ fragt sie Förster verlegen.
„Ja, gern!“ lautet dessen kurze Antwort.
Hotte findet den Keller ohne Schwierigkeiten. Er ist prall gefüllt mit allem, was man so im Keller verstaut, macht trotzdem einen sauberen, wohlgeordneten Eindruck. Sein Blick tastet durch den Raum. Nichts bleibt ihm verborgen. Auch nicht das Beil, das hinter einem Schränkchen hervorlugt. Er zieht es hervor und prüft es. Keine Auffälligkeiten? Gar keine? Es sieht neu aus. Doch seine Schneide hat merkwürdige Einkerbungen. Die kommen doch nicht vom Holzhacken, denkt Hotte, setzt den Gedanken fort: … aber auch nicht vom Beineabschlagen! Er schiebt das Beil an seinen Platz zurück und verläßt den Keller. Gerade will er wieder nach oben gehen, als sein Blick auf die Tür zur Waschküche fällt. Die Tür ist nicht
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