Ekel / Leichensache Kollbeck
auch der Täter sind noch unbekannt. Man könnte bei den Ermittlungen direkt auf sie stoßen.
So fahren die einen nach Klötze. Sie müssen sich in der ehemaligen Behausung Einbeckers umsehen, Leute aus der Nachbarschaft befragen, um Details der Lebensgewohnheiten, des Freizeitverhaltens und des Freundeskreises zu erfahren.
Förster und Hotte knattern mit dem strapazierten Dienst-Wartburg nach Wolmirstedt. Ihr pikantes Interesse gilt der Hauptwohnung Einbeckers am Plantweg 13 und seinen Bewohnern.
Die Zeit für Hausermittlungen ist günstig. Der späte Nachmittag sichert, daß die meisten Leute von der Arbeit bereits heimgekehrt sind. Er ist die Gewähr für die erfolgreiche Kingeltour an den Wohnungstüren meist unbescholtener Bürger. Die Männer wissen, wie in einem Wohnhaus ermittelt wird. Sie gehen um den Häuserblock, erkunden, wie die Eingänge und Keller angeordnet sind, ehe sie das Haus Nr. 13 betreten.
Vor einer Parterrewohnung wischt eine Frau den Fußboden. Förster fragt: „Entschuldigen Sie! Wer führt denn das Hausbuch bei Ihnen?“
Für einen Augenblick unterbricht die Frau ihre Reinigungsprozedur: „Ja, Frau Zimmermann, im zweiten Stock!“
Dankend steigen die Männer behäbig die Stufen empor, vorbei an Wohnungstüren, die von sorgsam abgestellten Straßenschuhen, Stiefeln und Kinderrollern still behütet werden.
Frau Zimmermann, eine kleine, schlanke Mittsechzigerin mit lebhaften, neugierigen Augen, öffnet und läßt die beiden ein, nachdem sie sich ausgewiesen haben.
„Sie führen das Hausbuch?“
Sie nickt stolz. Ja, sie bekleidet als Hausbuchführerin eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Sie ist der verlängerte Arm der polizeilichen Meldestelle und des Abschnittsbevollmächtigten. Sie wacht zuverlässig darüber, daß alle Hausbewohner ihre Personalien und Arbeitsstellen bei ihr registrieren lassen sowie ihre Besucher anmelden, falls sie längere Zeit zu bleiben beabsichtigen. Gelegentlich wird sie auch von der Kriminalpolizei um vertrauliche Auskünfte gebeten. Ebenso aber auch von den freundlich tuenden Kämpfern der unsichtbaren Front mit ihrem auffällig-unauffälligen konspirativen Gebaren.
Frau Zimmermann bietet den Männern Platz an und breitet das Hausbuch vor ihnen aus. Hottes Augen gleiten aufmerksam über die sorgfältig aufgelisteten Daten der Hausbewohner. Förster unterhält sich unterdessen mit ihr: „Wir kommen noch mal wegen des Herrn Einbecker. Vielleicht können Sie uns weiterhelfen.“
Und bereitwillig erzählt sie alles, was sie über Einbecker weiß. Die Männer erfahren, daß er sich mit seiner Frau in letzter Zeit nicht vertragen hatte, viel trank, nur an den Wochenenden nach Hause kam, an den Wochentagen aber der junge Falk Scheuner in seiner Wohnung logierte. Sie bedauert es zutiefst, daß es ihr nicht zu klären gelungen war, ob dies nun der Freund der Tochter von Frau Einbecker oder gar von Frau Einbecker selbst ist.
„Ich will ja nichts gesagt haben“, schließt sie ihre Auskünfte ab, „aber merkwürdige Verhältnisse sind das schon!“
Eine Etage höher liegt die Wohnung, die die beiden Ermittler interessiert. Frau Einbecker öffnet selbst. Mißtrauisch mustert sie die Fremden und ihre Dienstausweise.
„Kriminalpolizei, sind Sie Frau Einbecker?“
Die Frau nickt.
„Wir müssen im Zusammenhang mit dem Verschwinden Ihres Mannes noch einige Fragen mit Ihnen besprechen. Können wir das der Einfachheit halber gleich hier erledigen?“
Marianne Einbecker läßt die beiden ins Wohnzimmer. Unbehagen breitet sich in ihr aus. Das sind nicht die Männer, die die Vermißtensache ihres Mannes auf dem VPKA bearbeiten. Sie kommen aus der Bezirksbehörde in Magdeburg. Das macht die Frau unruhig. Sie befürchtet, daß sie mit unzähligen, verwirrenden Fragen attackiert wird.
Zunächst kann Frau Einbecker alles erklären, logisch und widerspruchsfrei. Doch dann kann sie ihre Erregung nur mit äußerster Mühe unterdrücken. Das sind Fragen, die nichts mit dem Verdacht einer Republikflucht ihres Mannes zu tun haben. Sie hat den Eindruck, daß die Männer mehr wissen, als sie vorgeben. Sie flüchtet nach vorn: „Wissen Sie was Neues? Hat man ihn gefunden – ich meine, kennt man inzwischen seinen Aufenthalt?“
Förster macht eine mehrdeutige Kopfbewegung: „Später! Wir informieren Sie. Doch jetzt schildern Sie uns bitte, wie die letzten Monate vor dem Verschwinden Ihres Mannes verliefen!“ Dann erzählt sie, wie sie mit ihm in der Weihnachtszeit
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