Ekel / Leichensache Kollbeck
so zu schützen, daß weitere Überfälle gänzlich ausgeschlossen werden konnten.
Nach der Analyse aller angezeigten Vergewaltigungen des letzten Jahres kristallisierte sich in etwa 15 Fällen eine offensichtliche Gleichheit in der Begehungsweise und in der Personenbeschreibung des Täters heraus. Diese wurden zu einem sogenannten Brennpunkt zusammengefaßt. Nach den Weisungen der Kriminalpolizei konnte nun eine spezielle Weiterbearbeitung durch eine Einsatzgruppe des Berliner VP-Präsidiums erfolgen. Die Aufklärung des Brennpunktes „Messerstecher“ wurde in die Verantwortung der MUK gegeben. Doch ein weiteres Jahr mußte erst vergehen, ehe Oberleutnant Vielitz und seine Mitstreiter den Täter – der eigentlich ein kleiner, unauffälliger, schüchterner 21jähriger junger Mann aus Lichtenberg war – endlich fassen konnten. Das Verfahren kam dann allerdings schnell zum Abschluß. Inzwischen ist die Übergabe an den Staatsanwalt zur Anklageerhebung erfolgt.
Noch weiß niemand, daß wenige Monate später der „Messerstecher von Rahnsdorf“ rechtskräftig verurteilt sein wird und die nächsten zehn Jahre seines Lebens hinter Gittern verbringen muß.
Jetzt aber wird mit einem deftigen Frühstück der Schlußpunkt unter diesen Fall gesetzt.
Eine knappe Stunde ist vergangen, als im Nebenzimmer das Telefon schrillt. Uta Kaiser verläßt den Frühstückstisch und hebt den Hörer ab: „Ja, bitte?“ Irgend etwas Wichtiges muß am anderen Ende der Leitung gesagt worden sein, denn sie nimmt den Hörer vom Ohr, hält ihn aus der Distanz Vielitz entgegen und spricht laut mit ernster Miene: „Genosse Oberleutnant, für Sie!“ Diese Förmlichkeit scheint das unerwartete Ende der Frühstückszeremonie anzukündigen. Die Heiterkeit am Tisch wird durch eine gespannte Ruhe abgelöst. Vielitz geht ans Telefon. Uta Kaiser flüstert ihm zu: „Der ODH!“
Vielitz konzentriert sich auf das Gespräch mit dem Mann aus der Einsatzzentrale, ohne etwas zu erwidern. Nur ein gelegentliches „Hm!“ soll darauf hinweisen, daß er begreift, worum es geht. Er fingert einen kleinen Zettel vom Schreibtisch und notiert etwas, während er mit der hochgezogenen Schulter den Hörer gegen das Ohr drückt.
Er kehrt schließlich mit der Mitteilung zu den anderen zurück: „Leute, es ist zum Verrücktwerden! Schon wieder Rahnsdorf, schon wieder ein Messerstecher – nur jetzt ist die Frau tot!“
Ungläubig starren ihn die Mitarbeiter an. Vielitz setzt fort: „Leichenfund im Wald von Rahnsdorf. Angeblich Sexualtötung. Tod durch Stiche in den Rücken. Alfred und Wische, ihr kommt mit. Wir machen den Tatort. Die anderen bleiben in Bereitschaft!“
Wischnewski packt eilig seine beiden KT-Koffer, geht zur Tür, wendet sich Meinicke und Vielitz zu und sagt: „Na, was ist, worauf warten wir noch?!“
Kurz nach 11 Uhr sind sie am Ort des Ereignisses. Das Wetter ist freundlich und trocken. Die Fundstelle liegt etwa 30 Meter vom Hegemeisterweg entfernt mitten im Wald. Dort liegt rücklings und lang ausgestreckt eine tote, etwa 30 Jahre alte Frau im Fischgrätenmantel, der ihren entblößten Leib nur unvollständig bedeckt. Ein über die Brüste hochgeschobener Pullover und der zerstörte Büstenhalter sind blutdurchtränkt.
Oberarzt Dr. Drechsler aus dem Gerichtsmedizinischen Institut in der Hannoverschen Straße untersucht die Tote. Eine Vielzahl von tiefen Stichen in den Rücken, die vermutlich durch ein Messer verursacht wurden, haben den Tod herbeigeführt. Sie begründen auch das Verschulden eines anderen. Als Todeszeit kommen die Abendstunden des gestrigen Tages in Frage. Ansonsten ergeben die Untersuchungen keinen brauchbaren Hinweis auf die Identität der Frau – kein Inhalt in den Manteltaschen, kein Ring, keine Armbanduhr. Irgendwo in der Gegend werden ihre beiden Schuhe gefunden. Auch sie tragen keine Merkmale, über die eine schnelle Identifizierung möglich wäre. An einer anderen Stelle liegt ein zerbrochener Taschenschirm. Sein Zustand läßt den Schluß zu, daß er mit dem Tatgeschehen irgendwie in Verbindung stehen kann. Die Spuren vom Hagemeisterweg bis zur Fundstelle erweisen sich als Schleifspuren. Der Täter hat vermutlich den leblosen Körper dorthin gezogen. Eine groß angelegte Durchsuchung des gesamten Waldes zwischen dem S-Bahnhof und der Ortschaft Rahnsdorf führt wenigstens zum Auffinden einiger frischer Papierschnipsel. Wischnewski, der ein unvollständiges Mosaik aus ihnen zusammensetzt, findet heraus, daß es
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