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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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Gedankenarbeit ist ein relativ klares Bild über die Situation im verdächtigen Anwesen zur Zeit des Verschwindens von Paul Latz. Lorenz weiß nun auch, daß seitdem die Wohnräume mindestens einmal renoviert wurden.
    Martha Latz wird einige Tage später, für den 14. Mai 1969, 16.00 Uhr, zu einer „abschließenden Zeugenvernehmung im Zusammenhang mit der Vermißtensache Paul Latz“ in das VPKA Hagenow vorgeladen. Dazu muß sie mit dem Linienbus von Lübbendorf bis in die Kreisstadt fahren. Und zur angegebenen Zeit sitzt sie artig und arglos in einem Dienstraum der Kriminalpolizei und wird durch einen Sachbearbeiter der MUK vernommen.
    Lorenz’ Mannschaft und ihr Bruder sind unterdessen auf dem Latzschen Grundstück in Aktion. Sie verändern die Stellung des Inventars der Wohnräume, bestrebt, den ungefähren Zustand von vor fünf Jahren wieder herzustellen. Dann rücken jede Menge Polizeifahrzeuge an, sie füllen nahezu den ganzen Hof aus. Halogenleuchten werden aufgestellt und werfen bald ihr grelles Licht in jeden Winkel. Sicherungskräfte beziehen ihre Posten. Kriminaltechniker beginnen, in den Wohnräumen nach Spuren zu suchen.
    Erst mit einsetzender Dunkelheit wird die Aktion beendet. Die Resultate sind überwältigend: Im Schlafzimmer der Eheleute werden unzählige eingetrocknete, kleine Blutspuren entdeckt, die zweifelsfrei Paul Latz zugeordnet werden können. Trotz Renovierung verbergen sie sich hinter der grünen Tapete der ehelichen Schlafstube, den Scheuerleisten, tief im Gewebe des Bettvorlegers, zwischen den Dielenritzen, ja selbst unter dem Baldachin der Deckenleuchte. Lorenz triumphiert, jetzt den Tatort zu kennen.
    In einem der Schuppen werden an einer unauffällig abgestellten, verrosteten Eisenstange zwar nur geringfügige Blutspuren gefunden, doch entsprechen sie ebenfalls dem Blut des Vermißten. Lorenz ist sich sicher, damit das Tatwerkzeug gefunden zu haben.
    Zwei Leichensuchhunde werden auf dem Grundstück in die Spur geschickt. Sie durchstöbern den Garten, die Schuppen, die Keller- und Speicherräume. Der Estrich im Schweinestall wird aufgestemmt. Doch der ersehnte Erfolg stellt sich nicht ein. In einer Ecke des Hühnerstalls verweisen die Hunde sicher auf ein bestimmtes Areal des festen Bodens. Gewissenhaft wird diese Stelle freigelegt. Schotter, Bauschutt und Erdreich werden ausgehoben. Bereits in einer Tiefe von einem reichlichen halben Meter werden im Sand die Konturen eines skelettierten menschlichen Brustkorbes sichtbar. Mit der Präzision einer archäologischen Ausgrabung wird das ganze Skelett freigelegt. Ständig blitzt der Fotoapparat eines Kriminaltechnikers. Oberleutnant Lorenz ist restlos zufrieden.
    Mit den ersten Fundortfotos bewaffnet, begibt er sich flugs zum VPKA. Er übernimmt die weitere Vernehmung von Frau Latz. Doch sie beharrt weiter auf der Behauptung, ihr Mann sei in den Westen geflüchtet. Dann breitet Lorenz die Fotos vor ihr aus. Bleich, wortlos und am ganzen Körper zitternd schaut sie einen kurzen Moment auf die Überreste ihres Gatten, den sie in der Nacht zum 20. Januar 1964, nach einer langen, heftigen Auseinandersetzung im ehelichen Bett, mit einer Eisenstange erschlagen hatte.
    „Was wollen Sie von mir?“ preßt sie gequält heraus und läßt sich widerstandslos festnehmen. Doch trotz der überzeugenden Spuren leugnet sie hartnäckig ihre Täterschaft. Erst nach zehn Tagen bricht ihr Widerstand und sie bekennt sich zu der Tötung. Totschlag im Affekt erkannte später das Bezirksgericht Schwerin und verurteilte Martha Latz zu fünf Jahren Freiheitsentzug.
    Oberleutnant Dietmar Lorenz kehrt eine Woche später siegreich nach Berlin zurück. Seine Vorgesetzten schütteln ihm die Hand, klopfen ihm auf die Schulter, überreichen ihm eine Geldprämie und sagen: „Weiter so, Genosse Lorenz!“
    Nur der Parteisekretär spricht länger mit ihm. Er hat dienstliche Order, Lorenz davon zu überzeugen, seine kriminalistischen Fähigkeiten von nun an in der Hauptabteilung Untersuchung des Ministeriums für Staatssicherheit unter Beweis zu stellen, natürlich auf einer lukrativen Planstelle. Als Lorenz Vorbehalte äußern will, fällt ihm der Parteifunktionär ins Wort: „Genosse Lorenz, das ist ein Parteiauftrag!“
    Lorenz absolviert ein Fernstudium an der Humboldt-Universität und erwirbt ein kriminalistisches Diplom. Er wird regelmäßig befördert und ist bis zum Untergang des MfS auf dem Gebiet der Morduntersuchung tätig. Wegen eines chronischen Herzleidens

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